Zierde, Vergnügen, gesunde Luft und gute Laune.

Zur Geschichte des Stadtparks in Bochum und anderswo.

 

Erika Schmidt

 

Im folgenden wird umrissen, welche Absichten im 19. Jahrhundert mit der Anlage von Stadtparks verfolgt und welche Nutzungen dabei berücksichtigt wurden. Es wird aufgezeigt, inwiefern allgemein verbreitete Vorstellungen auch bei der Planung und Nutzung des Bochumer Stadtparks zutage traten.

Christian Cay Laurenz Hirschfeld (1742—1792) war der erste, der den öffentlichen Park als einen Gegenstand der Gartenkunst behandelte. Vor annähernd zweihundert Jahren legte er den Obrigkeiten aller Städte nahe, ”besondere Oerter für den Spaziergang des Volks” einzurichten. ”Bewegung, Genuß der freyen Luft, Erholung von Geschäften, gesellige Unterhaltung” solle der Stadtbewohner in den Volksgärten finden... sie erquicken ihn nicht allein nach der Mühe des Tages mit anmuthigen Bildern und Empfindungen; sie ziehen ihn auch, indem sie ihn auf die Schauplätze der Natur locken, unmerklich von den unedlen und kostbaren Arten der städtischen Zeitverkürzungen ab... gewöhnen ihn allmählich an das wohlfeile Vergnügen... Die verschiedenen Stände gewinnen, indem sie sich hier einander nähern, auf der einen Seite an anständiger Sittsamkeit und scheuloser Bescheidenheit, und auf der andern an herablassender Freundlichkeit und mittheilender Gefälligkeit. Alle gelangen hier ungehindert zu ihrem Rechte, sich an der Natur zu freuen.” Häuser, ”wo Erfrischungen gereicht werden”, könnten ”zugleich durch ihre Bauart anmuthige Gegenstände für das Auge werden.” Auch ”Anstalten zum Vergnügen” dürften nicht fehlen; etwa Musik, die ”in einem Gehölz” besonders ”reizend” wirke, und Gewässer, wo Boote zu ”Lustfahrten und zum Fischfang einladen”. ”Kostbare Kunstwerke, feine Verzierungen und seltene Gewächse, die Vorsorge erfordern, gehören nicht in Anlagen dieser Klasse.” Wohl aber ”Werke... die nützliche Eindrücke auf die Menge verbreiten.” Der Volksgarten scheine ein Ort zu sein, ”wo man leicht dem Volk mitten auf den Weg seiner Vergnügungen eine gute Lehre hinstreuen kann”. Dazu dienten ”Gebäude mit interessanten Gemälden aus der Geschichte der Nation, Bildsäulen ihrer verstorbenen Wohlthäter” und ”Denkmä1er von wichtigen... Begebenheiten mit lehrreichen Inschriften”. Als Hirschfeld dies schrieb, hatte er öffentliche Gärten vor Augen, die aus fürstlichen Jagdgehegen und Schloßparks hervorgegangen waren: den Wiener Prater, den Berliner Tiergarten, die Kasseler Karlsaue. Dort herrschten Formen der architektonischen Gartenkunst vor wie Alleen und Gartenplätze mit geometrischem Grundriß; nur in Teilbereichen waren Bilder idealisierter Natur zu finden. Das entsprach nach Ansicht von Gartenkunsttheoretikern der Zeit um 1800 durchaus den besonderen gesellschaftlichen Zwecken des Volksgartens und dem Anspruch des Publikums auf Sicherheit. Selbst Hirschfeld, der wesentlich zur Verbreitung der in England entwickelten landschaftlichen oder malerischen Gartenkunst beitrug, fand für manche Gartenzwecke die Formen der französischen Gartenkunst besser geeignet. Der erste von vornherein für jedermann bestimmte Park wurde aber doch ein ”englischer” Garten: der 1789 in Angriff genommene Münchner Englische Garten, den Friedrich Ludwig von Sckell (1750—1823) auf Veranlassung des Kurfürsten von Bayern gestaltete.

Wie war ein ”englischer Garten” zu nutzen? Kunstkenner verstanden es, den Aufbau von Gartenszenen mit den Bildkompositionen berühmter Maler zu vergleichen oder eine Gartenszene als Anspielung auf ein Werk der Literatur zu entschlüsseln. Sie ließen sich bereitwillig durch räumliche Effekte, Pflanzungen und Monumente in wechselnde Stimmungen versetzen, mochten sich auch umgeben von Idealbildern natürlicher und arkadischer Landschaften seelisch und sittlich gehoben fühlen.

Sie wußten es zu schätzen, das Sckell ein Erlebnis natürlicher Qualitäten der Isaraue in gesteigerter, veredelter Form vermitteln wollte. Das breite Publikum vermochte dem Gartenkünstler da nicht zu folgen, und es hieß, der Englische Garten werden ”eigentlich viel zu wenig von den Münchnern gewürdigt... Die vornehme Welt fährt und reitet darin spazieren, der echte Münchner benutzt ihn aber nicht an und für sich, sondern nur als Durch-gang zu den in seiner Nähe liegenden Orten”, Schwabing etwa, ”wo so ein gutes Bier ist”. Die Hoffnung auf eine Gesellschaft Gleichgestellter, auch gleichermaßen Gebildeter, die Sckell noch gehegt haben mochte, erfüllte sich nicht. Das ”Volk”, die Bezugsgröße der Volksgartenplanung, blieb in materiell und politisch weit voneinander geschiedene Lager gespalten und war auch eine ”Bildungsklassengesellschaft”.Folglich meinte Peter Joseph Lenné (1789—1866), es entspreche dem Zweck eines öffentlichen Gartens, ”daß sich in demselben die lustwandelnde Menge zwar von Zeit zu Zeit sammle, daß sie aber keineswegs bunt gemischt, wie sie die Stadt faßt, zusammen gehalten werde; sich vielmehr theile, hier und dorthin wende, und sich in gesonderten Kreisen und Haufen wieder zusammen finde, was nach Bildung und Neigung zusammengehört”. Lenné entwarf 1824 den ersten nicht von einem Landesfürsten oder privaten Stiftern, sondern aus dem Haushalt einer Stadtgemeinde finanzierten öffentlichen Park, den Volksgarten in Magdeburg. Dank seiner Position als oberster Beamter im preußischen staatlichen Gartenwesen hatte Lenné noch weitere öffentliche Anlagen zu planen. Diese Projekte aus der Zeit um l840 umfassen auffallend große, von Baumreihen gerahmte, im Zuschnitt teils an das 1764 angelegte ”Bowlinggreen” der Kasseler Karlsaue erinnernde, teils ovale Rasenflächen, die Lenné gelegentlich als ”Volkstummelplätze” bezeichnete.

Die Vorstellung vom gesunden Maß und in aller Öffentlichkeit schicklichen Formen körperlicher Bewegung wandelte sich seit Hirschfelds Zeiten ganz erheblich. Im späten 18. Jahrhundert hatten Ärzte und Pädagogen Lebensprinzipien der griechischen Antike wieder aufgegriffen und eine Erziehung gefordert, die Geist und Körper gleichermaßen erfaßt, wogegen damals eine bloße Schulung des Verstandes üblich war. Zur Zeit der napoleonischen Besetzung und der Befreiungskriege wurde Körperertüchtigung in England und Deutschland auch von Staats wegen zum hochgeschätzten Bildungsziel. Sckell sprach vom Volksgarten als ”die wohlthätigste gymnastische Schule für Geist und Körper”. Der Park solle unter anderem ”der kraftvollen, wirkenden Menschenclasse” dienen, welche ”ihre Stärke üben, neue Körper- und Geisteskräfte durch Thätigkeit gewinnen und diese dem Staat lange erhalten” müsse. Bewegungsspiele fanden Eingang in die Lehrpläne englischer Schulen, und ihre öffentliche Reputation nahm dort stetig zu. Anders in Deutschland: Beim Kampf gegen Napoleon wurden die um Friedrich Ludwig Jahn gescharten Turner wie Volkshelden gefeiert. Als die Herrscher der deutschen Teilstaaten nach der Befreiung jedoch auf ihren alten Machtpositionen beharrten, fühlten sie sich von selbstorganisierten, wehrhaften Untertanen bedroht; die Turner hatten nämlich auch für Verfassungsstaat und nationale Einheit gekämpft. 1820 kam es zur ”Turnsperre”. Diese Maßnahme zielte zwar auf die Jahnsche Turnbewegung mit ihrem politischen Programm und nicht gegen Leibesübungen schlechthin, brachte aber alle Formen von Körperertüchtigung ins Zwielicht, setzte alle Turner polizeilichen Verdächtigungen aus. Bis um 1860 war Turnen in Deutschland ”keine Sache öffentlicher Anerkennung”.Als man in England um 1840 begann, Parks für die Öffentlichkeit zu planen, wurden sie sogleich zu einem Feld spielerisch-sportlicher Betätigung. Von Menschen aller Alters- und Gesellschaftsklassen in zwangloser Bewegung belebte ”public parks”, die außerdem Bildungseinrichtungen wie Bibliotheken und botanisches Anschauungsmaterial enthielten, waren der beste Beweis für Englands demokratische Beschaffenheit. So jedenfalls sah es ein Besucher aus Nordamerika, Frederick Law Olmsted (1822—1903), und er folgte dem englischen Beispiel, als er 1858 am Entwurf für den New Yorker Central Park arbeitete.

 

Mehrere öffentliche Parks englischer Städte waren auf Massenpetitionen, auch auf Initiative von Vertretern der Arbeiterklasse hin zustande gekommen; andere gehörten zu spekulativen Stadterweiterungsprojekten oder waren Stiftungen Industrieller. Denn in England hatte die Industrialisierung ja schon um 1830 ihren ersten Höhepunkt erreicht, hatte schwerwiegende hygienische Mißstände und heftige soziale Kämpfe ausgelöst. Parks, die für die Öffentlichkeit geplant wurden, waren in England von vornherein vor allem ein Angebot an die unteren Bevölkerungsschichten.

Denen sollten auch die Bildungsangebote zugute kommen, denn die Untersuchung sozialer Probleme hatte ergeben: Krank waren die Armen, und arm waren die Unausgebildeten; also hatte die Bildung eine Schlüsselstellung im Kampf gegen mehrere Übel. In Deutschland brachte Lenné die neue Zielgruppe ins Gespräch, als er 1840 empfahl, am Nordrand von Berlin als Gegenstück zum Tiergarten einen Park anzulegen, ”wo der fleißige Handwerker, der tätige Fabrikarbeiter nach überstandenem Tagewerk sich abends und sonntags ergehen könnte.” Für die wohlhabenden Berliner war damals längst im Tiergarten, im Treptower Magi-stratsgasthaus und zahlreichen eleganten Gartenlokalen gesorgt. Wenn sich eine deutsche Stadtgemeinde aber nur einen einzigen öffentlichen Park leisten konnte, blieben bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein die Wünsche und Teilhabemöglichkeiten des zahlungsfähigen Publikums entscheidend für die Ausstattung. Wer zahlte -nämlich die meisten Steuern in die Stadtkasse einzahlte – schaffte an. Und weil sich das deutsche Bürgertum in seinen Lebensformen am Adel und den Fürstenhöfen orientierte, kann es nicht überraschen, daß für öffentliche Parks im wesentlichen die gleichen Gestaltungsregeln galten wir für Privatparks großen Stils.

Dem Garten wurde immer noch der Charakter eines Tempels der Natur zugeschrieben, doch mittlerweile eher gedankenlos, formelhaft. Mehr als um Kontemplation, die zum Erleben des klassischen Landschaftsgartens gehört hatte, ging es jetzt darum, vor den Mitmenschen in prächtiger Umgebung als gesellschaftliche Größe aufzutreten, Wohlstand und Weltläufigkeit zu demonstrieren.

Das erforderte würdevolle Haltung. Als Leibesübungen in Deutschland um 1860 wieder zu Ehren kamen, kannte man die in England üblich gewordene und nach Nordamerika übernommene Konzeption vom öffentlichen Park als einem Feld körperlicher Betätigung sehr wohl.

Gustav Meyer (1816—1877), eine Autorität unter deutschen Gartenkünstlern des 19. Jahrhunderts, schrieb mit Verweis auf das Beispiel des New Yorker Central Parks, es müsse in öffentlichen Gärten ”(möglichst) für mannigfaltige Annehmlichkeiten und Unterhaltungen im Freien gesorgt werden”; es könnten ”eine Rennbahn, ein Turnplatz und ein Platz zum Ballspiel an den Volksgarten sich anschließen”; Wasserfahrten und Schlittschuhlaut Konzertplätze, ”Gebäude zum Schutz und zur Verabreichung von Erfrischungen” seien denkbar; ”jedoch ist in allen diesen Punkten ein bescheidenes Maß einzuhalten, um den Erholungsort nicht zu einem bloßen Tummelplatz herabsinken zu lassen”. Als Mitarbeiter Lennes und Gartendirektor von Berlin schuf Gustav Meyer Volksparks, zu deren Programm, ganz im Sinne Hirschfelds, Abstinenz von allem ”unedlen” und kostspieligen Zeitvertreib gehörte. Nichts verlockte zu Geldausgabe, alles, was man unternehmen konnte, war gesund, und vieles war lehrreich. Weite hippodromförmige Rasenplätze (wie sie Lenné zuvor in Brühl und im Berliner Tiergarten realisiert hatte) wurden fürs Schulturnen benutzt; im Humboldthain führte Meyer das Pflanzenkleid der Erde vor, im Friedrichshain bot er ein Bild der märkischen Pflanzenwelt und plante, dem Treptower Park eine umfangreiche Gehölzsammlung anzugliedern.

Solch nüchterne Parkprogramme wurden verfolgt, wo die Mitglieder der kommunalen Körperschaften nicht für sich selbst, für ihre Standesgenossen und nicht zur städtischen Repräsentation planten, sondern etwas für die Unterschichten tun wollten. In den meisten deutschen Stadtparks des 19. Jahrhunderts ließ es sich dagegen üppig leben. Manche kamen den ”Palmengärten” oder ”Flora-Etablissements” nahe, die kommerziell oder als Besitz geschlossener Gesellschaften betrieben wurden. Ein Mittelding zwischen Gesellschaftsgarten und Volkspark war der ”Städtische Garten” in Essen, angelegt auf Veranlassung der 1863 von Industriellen und anderen einflußreichen Bürgern gegründeten ”Essener gemeinnützigen Aktiengesellschaft”. Deutschland hatte um 1850 eine erste Welle industrieller Gründungen erlebt. Die Essener Parkinitiatoren stellten fest, Bergbau und Eisenindustrie hätten ”unvermeidlich große Unzuträglichkeiten für die Bevölkerung im Gefolge”. Die Menschen

litten unter Staub und Schmutz, des gebe kaum noch unbebaute Flächen im Stadtgebiet und nur wenige Bäume. Da, so hieß es 1864 bei der Grundsteinlegung zum Essener Saalbau, seien ”öffentliche Gärten dringendes Bedürfnis, Lungen der Stadt, wie der Engländer sagt”. Saalbau und Garten waren als sich selbst tragende Einrichtungen gedacht gewesen. Kapital und Einnahmen deckten aber zu keiner Zeit alle der ”gemeinnützigen Aktiengesellschaft” entstandenen Kosten. Letzten Endes übernahm die Kommune den Park, um zu gewährleisten, daß Essen seine bis dahin einzige öffentliche Grünanlage behielt.

Die Essener hätten ihrem städtischen Garten gerne einen Entwurf Lennes zugrunde gelegt. Der mittlerweile hochbetagte Künstler wollte aber nicht für einen ihm unbekannten Standort planen. Lenné war 1824 sehr verwundert gewesen, in Magdeburg erstmals keinen Fürsten, sondern eine Stadtgemeinde als Auftraggeber vor sich zu haben. Auch um 1860 stellten städtische Parks immer noch Seltenheiten dar. Dann fand für kurze Zeit liberalistisches Staatsverständnis viele Anhänger in Deutschland. Infolgedessen galt es als bürgerliche Ehrenpflicht. aus privaten Mitteln für wohltätige Zwecke und für den Schmuck der Gemeinde zu sorgen. Wie 1863 in Essen, so taten sich 1865 in Bremen Bürger zusammen, um eine öffentliche Parkanlage zu finanzieren. Verschönerungsvereine wurden noch anderswo gegründet, beispielsweise 1864 in Barmen. Der Magistrat von Bochum schrieb im Vezwaltungsbericht über dasselbe Jahr: ”Wenn... für die Verschönerung der Stadt noch so wenig geschehen ist, so lag dies... daran, daß bei ihrer raschen Entwicklung die Befriedigung der nothwendigsten Bedürfnisse alle Mittel erschöpfte. Bei ihrer fortschreitenden Vergrößerung darf aber auch die Verschönerung der Stadt nicht länger verabsäumt werden... In anderen Städten bilden sich zu diesem Zwecke besondere Vereine”, und auch in Bochum hänge dieses Anliegen vom ”opferwilligen Gemeinsinn” der Bürger ab. Es kam jedoch kein Verschönerungsverein zustande. Der Magistrat ergriff die Initiative, bewegte den Rat der Stadt zu Baumpflanzungen an Straßen und auf Plätzen und 1869 zu dem Beschluß, einen städtischen Park anzulegen. Die entscheidende günstige Voraussetzung für das großzügige Projekt des ersten kommunalen Parks im Ruhrgebiet waren städtische Anrechte an der Bochumer Allmende. Eine Kommission aus Mitgliedern des Rates und des Magistrats ermittelte das für gartenkünstlerische Zwecke bestgeeignete Gelände auf der kleinen Vöde (so die Bezeichnung für eine in Westfalen übliche Form von wechselweise ackerbaulich und als Grünland genutzten Gemeinheitsländereien).

 

Wie die Essener, so wollten auch die Bochumer einen Künstler ersten Ranges verpflichten. Lenné war tot; die Parkkommission verhandelte 1870 mit dem Sohn eines seiner Vettern, mit dem königlich-preußischen Hofgartendirektor Clemens Josef Weyhe in Düsseldorf; doch bevor konkrete Schritte getan waren, starb auch er (1871). Nun wandte sich die Kommission an den bewährten Kölner Stadtgärtner Anton Strauss (1823-1888). Dieser legte 1871 Entwurf und Erläuterungen zur Anlage eines Stadtgartens in Bochum vor, und die Parkkommission empfahl, sein Projekt ausführen zu lassen. Zur Begründung schrieb sie:

... (Wir) glauben, als erstes und hauptsächliches Motiv zu unseren Vorlagen und Forderungen den gänzlichen Mangel an öffentlichen Promenaden bezeichnen zu müssen.” Bei der ”rapide gesteigerten und noch stets anwachsenden Bevölkerung” werde ”Die Herstellung eines öffentlichen Gartens...zur unabweisbaren Notwendigkeit”. Es würden ”neben den Annehmlichkeiten auch der öffentlichen Gesundheitspflege wesentliche Dienste geleistet... Die Anlage wird... der Stadt und Gegend zur größten Zierde gereichen; sie wird nicht bloß unseren Mitbürgern nach des Tages Lasten und Mühen Schutz gegen Staub und Hitze und Erholung gewähren, sondern auch den Bewohnern benachbarter Städte ein gesuchtes Object für sommerliche Ausflüge bieten. Endlich dürfte durch diese in der That ebenso große als zeitgemäße Schöpfung... das durch die bisherige Vöde-

wirtschaft unserer Stadt angehängte, nicht gerade classische aber auch nicht ganz unverdiente – Adjectif, in nicht zu ferner Zeit der Vergessenheit verfallen”. Das unausgesprochen bleibende ”Adjectif” war die Bezeichnung ”Kaubaukum”. Während nämlich mehr und mehr industrielle Unternehmen in Bochum gegründet worden waren, hatte die Stadt nebenher doch manche Züge einer unbedeutenden Ackerbürgersiedlung bewahrt. Als schlagender Beweis bäuerischer Rückständigkeit galt der erst 1870 eingestellte Hudebetrieb, der bis dahin allsommerlich das Bochumer Straßenleben geprägt und viel Spott herausgefordert hatte. Deshalb konnte es in Bochum als leuchtendes Zeichen des Fortschritts verstanden werden, wenn die Gemeindeweide in etwas so ganz und gar Städtisches wie einen öffentlichen Park umgewandelt würde. Der Ratsbeschluß zugunsten der Anlage ließ sich nicht gleich ausführen. Einige Bürger prozessierten über den vermögensrechtlichen Charakter der städtischen Vödeanteile. Unterdessen folgte dem Wirtschaftsboom, der vom siegreichen Ende des deutsch-französischen Krieges ausgelöst worden war, die Krise. Wegen unsicherer Finanzlage und hoher Kosten für die Gas- und Wasserwerke beschloß der Rat der Stadt 1873, die Ausführung des Parkprojekts ”der Zukunft zu überlassen”. Einige Monate später starb nach dreißigjähriger Amtszeit der Bürgermeister Maximilian Greve (dem ein bemerkenswertes, heute in traurigem Verfall begriffenes Grabmal errichtet wurde). Greve soll schon 1863, also im Gründungsjahr der ”Essener gemeinnützigen Aktiengesellschaft”, als erster den Gedanken geäußert haben, auf der Vöde einen Park anzulegen. Sein Nachfolger im Amt, Adalbert Prüfer, griff das Projekt unverzüglich wieder auf. Er wies die Ratsherren 1874 daraufhin, daß die städtischen Grundstücke auf den Vöden erst dann ihrem Wert entsprechend zu verpachten oder zu verkaufen sein würden, wenn das Gelände erschlossen und ver-schönert sei. Man müsse Straßen bauen, Plätze und den längst geplanten Park anlegen. Letzteres erscheine ”namentlich im Interesse der Arbeiterbevölkerung – die wohlhabenderen Einwohner haben meistenteils Gärten – dringend wünschenswerth”. Um die Jahreswende 1875/76 war der Rechtsstreit um die Bochumer Vöden beigelegt; die Stadt konnte über ihren neuen Grundbesitz verfügen, und im Mai 1876 begannen die Parkanlagearbeiten. 1878 annoncierte der Parkhauspächter: ”Mit besonderer Genehmigung der städtischen Park-Commission werde ich zur Einweihung des Restaurations-Locals im Stadtpark...ein solennes Abendessen für Herren und Damen... veranstalten (a Couvert 2,25 Mk)...Um geneigte zahlreiche Betheiligung bittet Hochachtungsvoll! B. Steinbüchel.” Der ”Märkische Sprecher”, die Bochumer Lokal- und Kreiszeitung, berichtete über den Festakt, an dem nur achtzig Personen teilnahmen (was ‚ja im Hinblick auf die traurige wirtschaftliche Situation leicht erklärt” sei). ”Der Schöpfung unseres städtischen Parks”, so sagte Karl Bollmann, seit 1877 Oberbürgermeister in Bochum, ”habe der Gedanke zu Grunde gelegen, allen Schichten der Bewohner-schaft Bochums einen geselligen Vereinigungspunct zu bieten, und den friedlichen und freundlichen Verkehr der Mitbürger unter einander zu fördern. Es werde hier nicht nach dem politischen oder confessionellen Standpunct gefragt. Der Stadtpark sei ein neutraler Boden, auf dem sich... alle Bürger zusammenfinden könnten in dem Gedanken, Glieder einer großen durch die mannigfachsten Interessen eng aneinander geknüpften Gemeinschaft zu sein. Man kümmere sich auch nicht um das Vermögen der Einzelnen. Ein Jeder ob arm oder reich habe gleiche Rechte, und so sei der Stadtpark in hervorragender Weise dazu bestimmt, eine Schule der bürgerlichen Tugenden zu bilden, auf denen das Wohl einer Commune beruht.”War es naiv oder heuchlerisch, auf ”Annäherung der Stände” im Stadtpark zu rechnen, wo gerade erst der Kulturkampf viele Bürger tief getroffen hatte, wo die Stadt Notstandsarbeiten organisierte, und wenige Wochen, bevor das Sozialistengesetz erlassen wurde? Zur Verbrüderung konnte es sicher nicht kommen. Aber manche Vorgänge im Park und Maßnahmen der Verwaltung lassen immerhin auf ein gemischtes Publikum schließen.

Ein Polizeidiener mußte zu bestimmten, in der Parknutzungsverordnung festgelegten Zeiten das Parktor verschließen. Er klagte, oft wollten abendliche Besucher der Anlage nicht nach Hause gehen, mit der Ausrede, sie wüßten nicht, wie spät es sei. ”Darum wehre es sehr gut wenn eine Glocke angebracht wird damit keiner Entschuldigung hatt. Denn hauptsächlich sind es Leute, die zu der niedrigsten Classe gehören und die sich nicht gerne was sagen lassen und selber so viel Verstand nicht besitzen, daß es nicht geduldet werden kann, die ganze Nacht sich da umher zu treiben.” Die Anlagen waren ”dem Schutze des Publikums” anempfohlen und jeder Besucher gebeten, ”gegen Frevler einzuschreiten”. Außerdem wurde in den Zeitungen eine Warnung veröffentlicht ”wegen des Pflückens von Blumen pp. im Stadtpark durch die Mägde und Kinder!” Dergleichen blieb aber weiterhin üblich. Als die Pflanzungen so weit gewachsen waren, daß sich der Park nicht mehr überblicken ließ, trug der Parkgärtner Wilhelm Wagener (geb. 1843; 1911 pensioniert) vor, es sei nun unum-gänglich, ”einen ständigen Parkwärter” einzusetzen, im ”Interesse des Parks, betreffs abpflücken der Blumen. verunreinigen der Wäge, übersteigen der Hecken auch stehlen ganzer Pflanzen aus den Blumenbeeten, auch in sittlicher Beziehung worin im vorigen Sommer ich mehreres angetroffen und dadurch würde der Park seinen guten Ruhf und Anziehungskraft verlieren”.

Bei der ersten Revision der Parknutzungsverordnung wurde bestimmt: ”Personen, welche nicht ordentlich und anständig gekleidet sind, dürfen den Park nicht besuchen.” Kinder unter zwölf Jahren hatten von vornherein nur in Begleitung für sie verantwortlicher Erwachsener Zutritt zum Park. Und es gab viele Kinder in Bochum. 1880 waren gut 40 Prozent der Einwohner jünger als fünfzehn Jahren. Ein Großteil wird zum Unterhalt der Familie hat beitragen müssen und konnte schon deshalb den Park nicht besuchen. Dennoch stellte der Gärtner fest, es sei nötig, durch Zeitungsnotiz die Vorschriften in Erinnerung zu rufen, welche Kinder betreffen, ”da gerade diese Gesellschaft im Park öfter stark vertreten ist und manches verunreinigt”. Die Kindermädchen, so beschwerte er sich ein andermal, ließen ”die Kinder theilweise laufen, wo sie wollen, um mit ihrem sogenannten Jungen, den sie neben sich sitzen haben, pusiren zu können”. Übrigens wurden in Listen des Parkinventars besondere Bänke ”für Kinderwärterinnen und Kinder” verzeichnet; sie standen in größerer Zahl rund um das Denkmal Kaiser Wilhelms I. Bei ”schönstem Wetter” gingen ”in wohlgeordnetem Zuge” die ”300 Kinder der Sonntagsschule” zum Park. Die Tiere dort, ”die schlangenartigen Bewegungen auf den schön gebahnten Wegen” und ”die bunten Teppichbeete entlockten dem Kindermunde manchen Ruf der Freude und Verwunderung”. Mit fröhlichem Gesang auf der Terrasse des damals, im August 1878, noch nicht fertigen Parkhauses durften die Kinder ”ihrem vollen Herzen Luft” machen, wie es im Zeitungsbericht heißt. In anderen Jahren zogen die Schützlinge des Fröbelschen Kindergartens unter den Klängen einer Musikkapelle in den Park, um ”bei Spiel und Gesang im lustigen Getümmel einen glücklichen Nachmittag zu erleben... Daß auch für die leibliche Erquickung der Kleinen reichlich gesorgt war, braucht kaum bemerkt zu werden”. -Und überhaupt: die leiblichen Genüsse! Der Parkhauspächter versicherte, ”nur reingehaltene Weine, feine Biere sowie guten Kaffee zu mäßigen Preisen zu verabreichen”. Er veranstaltete wochentags gelegentlich ”Große Kaffee-Visite...verbunden mit Damen- und Kinderkränzchen” oder Festessen, wozu auch der Geburtstag des Kaisers Anlaß bot. In der Parkgärtnerei konnte man ”außer den verschiedenen Mineralbrunnen auch ebenfalls reine und frische Kuhmilch” trinken, eine Möglichkeit, welche der Gärtner durch Zeitungsannoncen ”dem geneigten Wohlwollen der Herren Aerzte sowie dem verehrlichen Publikum...bestens” empfahl. Der Wirt sah im Schankprivileg des Gärtners eine ungerechte Konkurrenz. Er müsse hohe Pacht zahlen, habe aber nur auf einem Teil der bewirtschafteten Fläche Gewinn; die Herren von der Stadtverwaltung wüßten doch, ”was auf der unteren Terrasse von den Arbeitern verzehrt werden kann”. Die Arbeiter frequentierten demnach den ”Biertunnel”, einen Ausschank, der auch bei sonst eintrittspflichtigen Konzerten kostenlos zugänglich bleiben mußte. Wenn im ”Musik-Tempel” konzertiert wurde, gingen übrigens zum Leidwesen des Kapellmeisters sogar vielen zahlenden Gästen auf der obersten Terrasse ”die Pianos vollständig verloren, namentlich wenn ein Teil der Musik durch ein Streichorchester ausgeführt wird”. Es fanden auch Freikonzerte zu Kaisers Geburtstag und Wohltätigkeitskonzerte im Stadtpark statt; Bochumer Vereine feierten dort ihre Feste und ”Tanzkränzchen”. Manchmal wurde Feuerwerk abgebrannt, oder man illuminierte die Gartenanlagen. Bei solchem Anlaß rechtfertigte ein Festredner die Ausschweifungen mit den Worten: ”Im Kreise Bochum werde viel, sehr viel gearbeitet, aber gerade darum feiere man auch mit Hingebung frohe Feste, um sich zu neuem ernsten Schaffen zu erfrischen”. Über die alltägliche Benutzung des Parks finden sich bloß vage Einschätzungen wie, er sei ”der Lieblingsaufenthalt der großen Masse der Bevölkerung”. Es ist anzunehmen, daß sich bessergestelltes Publikum vorzugsweise wochentags im Park aufhielt, während sonntags die breite Masse kam, der es alltags an Zeit und Kraft für Spaziergänge fehlte. Wenn möglich, wurden im Winter ”eine Eisbahn unterhalten und auch einige Eisconcerte gegeben”, wobei es auf der kleinen Fläche des Teiches im alten Stadtpark ”zu einem fast beängstigenden” Gewimmel kam, obgleich ”die den Eissport pflegenden Personen” eine Gebühr zu zahlen hatten. Gleich, nachdem er angelegt worden war, bezog man den Stadtpark in das auf einer Stadtrechtslegende fußende Bochumer Maiabendfest ein. Aber diese Tradition kümmerte. Erst klagte der Magistrat, die Oberschicht sei bedauerlich gering vertreten, dann wurden alle, die ihre Vaterstadt liebten, ermahnt, die jahrhundertealte Sitte lebendig zu erhalten, und schließlich mußte die Stadtverwaltung resigniert eingestehen, die Teilnahme des Publikums an den Feierlichkeiten ”nehme von Jahr zu Jahr mehr ab”.

Indessen wurden Stadtparkbesuche ein fester Programmpunkt beim offiziellen Empfang auswärtiger Gäste. 1881 durchwandelte der Regierungspräsident die Anlagen; im selben Jahr wurden für den nach Bochum einberufenen Westfälischen Städtetag Konzert und Gartenfest veranstaltet; 1885 war der preußische Innenminister zu Gast und es fanden im Bochumer Stadtpark Verbandsfestlichkeiten der Westfälischen Kriegervereine statt.

Daß es gewissermaßen ”Gäste und Zaungäste” gab, verstand sich für die Vertreter der Stadtgemeinde von selbst. Die Kommunalverfassung preußischer Städte insgesamt war ja mit ihrem Dreiklassenwahlrecht unverholen plutokratisch. Bürgermeister Carl Lange schrieb in einem Bericht ”Über die Wohnungsverhältnisse der ärmeren Volksklassen in Bochum”, die Stadt habe eine Garten ”einrichten lassen, in welchem sich die arbeitende Klasse zu jeder Tageszeit... erholen kann, ohne daß seitens der... Besucher... auch nur die allergeringste Entschädigung zu leisten ist. Es wird dieser öffentliche Garten nicht bios von den besser situirten Ständen benutzt, sondern es ergehen sich tagaus tagein die oft zahlreichen Glieder der Arbeiterfamilien in demselben. Und gerade dadurch, daß die verschiedenartigsten Stände in diesem öffentlichen Stadtparke sich aufhalten und bewegen können, wird der Verrohung und Verwilderung moralisch verkommener Personen ein entsprechender Damm und eine Schranke gesetzt, die in Betreff der moralischen Verbesserung nur wohlthätig wirken kann. Gute Beispiele erzeugen gute Sitten.” In der Parkrestauration werde ”gutes Bier für einen mäßigen Preis feilgehalten”, und es gebe dort ”ab und zu sogenannte Volksconcerte für ein sehr mäßiges Eintrittsgeld”. Aber ”selbst diejenigen Personen der ärmeren Volksklasse, welchen dieses Eintrittsgeld schwerfällt, oder welche sich die Wohlthat eines guten Glases Bier nicht leisten mögen, können die Musik auch während der Spaziergänge im Parke, ohne daß sie irgendwie Auslagen für Verzehr haben, genießen, weil an den verschiedensten Stellen des Stadtparks Wasserkrähne angebracht sind, die mit einer Tasse von Zinn versehen und AIlen leicht und bequem zugänglich sind, so daß etwaiger Durst gelöscht werden kann”. Da werden längst von der Realität des gesellschaftlichen Le-

bens widerlegte Behauptungen über den einenden Effekt des Parkbesuchs vorgetragen und gleichzeitig zynisch -mindestens für unser Empfinden heute – konstatiert, daß es eben drei Klassen von Parkbenutzern gebe. Hirschfeld hatte hundert Jahre zuvor übrigens gemeint, daß auch die höheren Stände etwas im Park zu lernen hätten, nämlich freundliches Entgegenkommen. Die arrivierten Bürger im späten 19. Jahrhundert dagegen fanden an sich selbst nichts auszusetzen und boten ihre makellose Erscheinung ”verkommenen Personen” als Vorbild an. Selbstgefällig ließen die Bochumer Städtischen Körperschaften in Schmuckreliefs an dem um 1900 errichteten neuen Parktor den Aufstieg der Stadtgemeinde versinnbildlichen durch einen Bochumer Ackerbürger der ”früheren Zeit” und einen typischen Bürger ihrer Gegenwart. Andere sittliche Vorbilder, nämlich Kaiser Wilhelm I. und Turnvater Jahn, waren im Park seit 1879 beziehungsweise 1883 durch Denkmäler repräsentiert; an Theodor Körner erinnerte eine 1891 gepflanzte Eiche. (Von den Denkmälern, die im 20. Jahrhundert hinzukamen, will ich hier absehen.) ”Gute Lehren” bot der Park auch sonst noch. Er war überreich an naturkundlichem Anschauungsmaterial. Nach den damals geltenden Regeln der Gartenkunst hätten in einer Anlage wie dieser nicht mehr als etwa zweihundert Gehölze verwendet werden sollen. Hingegen wurden 1887 im Bochumer Stadtpark weit mehr als siebenhundert verschiedene Baum- und Straucharten und -sorten ermittelt. Die Parkkommission erwog, einen botanischen Garten einzurichten; und tatsächlich hatte der alte Stadtpark immerhin eine sogenannte ”botanische Abteilung”. Pflanzenetiketten unterrichteten über lateinischen und deutschen Namen, Familie und ”Vaterland” der Bäume. Die hochgeschätzten Nadelgehölze starben bald ab, weil zuviele Schadstoffe von den großen Industrieanlagen herüberwehten. Das war nun die frische Luft, die den Bochumern im Park hatte geboten werden sollen! Mit einer Bestimmung der Bauordnung von 1893 versuchte man, diesen Mißstand einzudämmen oder wenigstens zu überspielen. Danach durften im Umkreis des Stadtparks keine Werksanlagen errichtet werden, ”die durch Verbreitung schädlicher Dünste oder starken Rauches oder durch Erregung eines ungewöhnlichen Geräusche Gefahren, Nachthelle oder Belästigungen des Publikums herbeiführen würden”.

Verschiedene geologische und meteorologische Meßgeräte wurden auf Kosten der Berggewerkschaftskasse im Park aufgestellt. Weniger aus wissenschaftlichem Interesse denn aus Liebhaberei fürs Lebendige und Seltene hielt man Tiere im Park. Zuerst einige Damhirsche; für kurze Zeit ein paar Meerschweinchen und Schildkröten. Vor allem aber größere Bestände von Fischen und Ziergeflügel, aus denen zugunsten der Stadtkasse verkauft wurde. Sicher mit Rücksicht auf die Tiere war es verboten, in der Anlage mit irgendwelchen Waffen zu schießen. Auch ”das Fangen von Vögeln, das Ausnehmen von Vogelnestern, das Aufstellen von Schlingen oder Fallen zum Tierfang und jede muthwillige Störung der im Parke nistenden Vögel oder sonst darin gehegten Tiere, namentlich das Füttern derselben mit schädlichen Substanzen” mußte ausdrücklich untersagt werden. Das Mitbringen von Hunden war von Anfang an verboten gewesen, zum besten nicht allein der Tiere, sondern auch der Blumen und exotischen Kübelpflanzen, die in großer Vielfalt kultiviert wurden. Eines der zur Gärtnerei gehörenden Gewächshäuser war dem Publikum als Pflanzenschauhaus geöffnet.

Das von Anton Strauss konzipierte Grundgerüst malerisch ineinander übergehender Gartenräume hielt die Fülle von Ausstattungselementen zusammen. Bei den Anlagearbeiten richtete man sich nicht bis ins Letzte nach seinem Entwurf. So wurden um des Schattens willen manche Bäume und um üppiger Effekte willen manche Blumenbeete entgegen den damals geltenden Regeln der Kunst plaziert. Aber im wesentlichen wurde Wirklichkeit, was Strauss in seinen Entwurfserläuterungen als eine kontrastreiche Abfolge landschaftlicher Sze-nen beschrieben hatte: der lichte Teich mit freundlich hellen Randpflanzungen, eine Partie im ”Charakter des Wildromantischen”, die Lichtung ”im stillen Waldwinkel”, der wirkungsvoll genutzte sonnige Hang mit Blick auf das Panorama der Stadt.

Ungefähr zehn Jahre, nachdem das Bochumer Projekt ausgeführt worden war, begann eine deutsche Stadt nach der anderen, vergleichbare Anlagen zu planen und zu realisieren. Doch gerade, als er zur Massenerscheinung wurde, war dieser Parktypus bereits in zweierlei Hinsicht umstritten. Auf die Diskussion um gartenkünstlerische Ausdrucksformen will ich hier nicht eingehen”. Die andere Streitfrage betraf das Nutzungsprogramm. Eine neuerliche Bildungsreformbewegung, die Lebensreformbewegung, Militarismus und die eifersüchtige Suche nach dem Geheimnis der Machtposition Englands führten um 1890 eine neue Rangordnung der Parknutzungen herbei. Die Volks- und Jugendspielbewegung, die so vielen verschiedenen Zielen und politischen Zwecken dienen konnte, fand breite Unterstützung. Unter anderem von seiten der Sozialhygieniker und der sozialdemokratischen Partei, die in den 1890er Jahren begann, kommunalpolitische Programme aufzustellen. Erst jetzt kamen die ”unteren” Bevölkerungsschichten dank einer gewissen sozialen Sicherung und geregelter Arbeitszeiten als zahlenstarke Gruppe alltäglicher Parkbesucher ernsthaft in Betracht. Mittlerweile waren die Stadtgemarkungen weitgehend überbaut, die Grundstückspreise hoch; die mehrheitlich von Haus- und Grundbesitzern gelenkten Kommunen hatten sich wenig Grundbesitz gesichert. Als der Anspruch auf Spiel- und Sportflächen laut wurde, versuchten die Gemeinden deshalb zuerst, vorhandene Anlagen dem neuen Programm anzupassen, und es mehrten sich die Parkprojekte, wo augenfällige, großflächige Spiel- und Sporteinrichtungen vorgesehen waren, wie beispielsweise im Mannheimer Luisenpark (1888-4894) und im Braunschweiger Prinz-Albrecht-Park (1897 in Arbeit). Eine Umfrage bei größeren deutschen Städten ergab 1901, daß sich nun schon viele ”Jugendspielplätze in parkartiger Umgebung oder in unmittelbarer Nähe von Parkanlagen” befanden.

Im Straussschen Entwurf für den Bochumer Stadtpark war ”ein größerer, von einer Allee umgebener kreisförmiger und fast ebener Platz vorgesehen” gewesen, ”welcher sich zu Turnübungen, kleineren Schauturnen etc. eignen dürfte, zu anderen Zeiten auch den Tummelplatz für die Jugend abgeben könnte”. Die Bürger der Stadt erachteten es zunächst aber als genug an Bewegung, wenn sie im Schatten der Parkbäume ”lustwandeln” konnten hinzu kam noch das Schlittschuhlaufen. Als der ”Männerturnverein” 1880 ein Stiftungsfest feierte, wurde erstmals im Bochumer Stadtpark geturnt. Unter dem ”lebhaftesten Beifall” der Zuschauer fanden auf der Terrasse am Parkhaus ”Riegen- und Kürturnen” statt. Dies und ein Schauturnen anläßlich der Enthüllung des Jahndenkmals (1883) blieben festliche Ausnahmen. Zur alltäglichen Erscheinung wurden Bewegungsspiel und Turnen auch im Bochumer Stadtpark erst während der. 1890er Jahre. Im Verwaltungsbericht über 1892/93 heißt es: ”Um vielfach geäußerten Wünschen nach zukommen, ist im Mittelpunkt des Parks ein schöner, schattiger Platz als Spielplatz für die Kinder freigegeben worden. Ein Jahr später konnte der in Notstandsarbeiten bei Erweiterung des Stadtparks um eine waldartige Fläche angelegte Rasenplatz an der Bergstraße in Betrieb genommen werden; alle städtischen Schulen benutzen ihn im Turnunterricht.

 

Die Spiel- und Sporteinrichtungen waren im Bochumer wie in den meisten deutschen Stadtparks des 19. Jahrhunderts bloß Einsprengsel in einer schmuckvollen, genußreichen, komfortablen Promenierlandschaft. Aber auch ohnedies konnten solche Parks lebensvolle gesellschaftliche Einrichtungen sein, wie sich bei näherer Betrachtung des Bochumer Beispiels erweist.

 

Dann schlug das Mengenverhältnis um zugunsten der Flächen für körperliche Betätigung. Schon 1891 empfahl ein führender Hamburger Baubeamter, größere öffentliche Freiräume so anzulegen wie die alten Gemeindewei-den, nämlich ab Wiesen, von Baumreihen umgeben, hier und da von Bäumen beschattet. ”Die Unterhaltung solcher Grünplätze kostet fast gar nichts, und sie stiften eigentlich mehr Glück als die wohlgepflegten Anlagen, deren Rasen nicht betreten werden darf. Man sollte hierin den Engländern und Amerikanern möglichst folgen, wel-che die Rasenplätze meistens freigeben.”In Bochum, wie auch in mancher anderen Stadt, hatte man die Gemeindeweide – hier allerdings ein ganz baum- und strauchloses Kleefeld – unter großzügiger Bebauung und kunstvoll gärtnerisch arrangierter Ideallandschaft verschwinden lassen. Nun, um 1900, wurde die Gemeindeweide, auf der früher in Bochum wie anderswo nebenher die Volksfeste stattgefunden hatten, zum Leitbild für Stadtparks. Nicht nur neue Anlagen wurden dementsprechend gestaltet. Man beraubte auch viele alte Anlagen ihres charakteristischen Schmuckes und raumbildender Pflanzungen, um den Füßen der Tatmenschen des 20. Jahrhunderts freie Bahn zu verschaffen. Als wichtigste, weil wahrhaft volkstümliche und dem Gemeinschaftserlebnis großer Menschenmassen dienliche Bestandteile öffentlicher Anlagen galten jetzt die Spiel- und Sportflächen. Aber das ist ein anderes Kapitel in der Geschichte des Stadtparks.

 

Impressum

1985 Bochumer Heimatbuch

 

Band 8

 

Herausgegeben von der Vereinigung für Heimatkunde Bochum e.V.

 

Verlag:

Schürmann & Klagges

 

Titelbildgestaltung:

„Schorsch-Design®" Georg Wohlrab, Heusnerstraße 17, Bochum

 

Gesamtherstellung:

Druckhaus Schürmann & Klagges,

 

Bochum ISBN-Nr. 3-920612-06-X