Was der Ölbach erzählt
Geschichte um den Ölbach
Karl Leich
Auf der Höhe von Gerthe, an der Apotheke, kreuzen sich zwei uralte Heerstraßen, der Hellweg und die Römerstraße, die von der Lippe herkommt. Dort oben lag unter einer uralten mächtigen Linde der Bauernhof Blome mit Gastbetrieb, „Blumenhaus“, wie es auf alten Landkarten heißt. Hier übernachteten die Herden, die vom Münsterland südwärts aufgetrieben wurden; und vom Sauerland kamen die Händler, die in Gerthe das starke Buchenholz kauften, aus dem man die Hammerhelwen machte. In der Nähe, östlich davon, lag früher ein Haus, das den Namen „Düwellerigge“ führte (vor einiger Zeit abgebrochen); vielleicht ist dort einst ein heiliger Brauch, eine Stätte heidnischen Kultes gewesen. Nicht weit von dieser historischen Stelle entspringt nun der Ölbach, fließt an den Hellwegbefestigungen der Gerther- und Bövinghauser-Landwehren vorbei, berührt die alten Dorfschaften Gerthe, Harpen, Lütgendortmund, Uemmingen, Heven und mündet dann in die Ruhr. Er hat etwa 12 km zurückgelegt.
Unterwegs gesellen sich zu ihm muntere Mitwanderer: ein Quellbach aus der Stemke, der Kichharpener, Kornhapener, Karolinen, Langendreer Bach sowie Schattbach und Brenscheder Bach. Sein Name lautete früher Harpener Mühlenbach oder Sprokel, Wiescher- oder Blennebach im oberen, Meeßbach im unteren Teil. Jetzt heißt er allgemein Ölbach. Öl, Ahl, Uhl bedeutet Sumpf. Es ist also ein Bach, der in feuchtem Wiesengrund fließt. Heute ist er tatsächlich durch Industrie- und andere Abwässer (Lothringen, Harpener Bergbau, Mansfeld, Dannenbaum) ein richtiger übelriechender, schwarzer Ahlbach geworden, der übelste Verschmutzer der Ruhr, der glücklicherweise meist abseits von menschlichen Besiedlungen seinen schmierigen Weg zieht. – Und von diesem Ölbach soll hier Aufhebens gemacht und er als älteste und reichhaltigste Urkunde Bochums hingestellt werden? Ich bemerke, daß ich in meiner Darstellung unter „Ölbach“ nicht nur die enge Wasserrinne verstehe, sonder auch das ganze Gelände, das von ihm und seinen Nebenbächen durchflossen und beherrscht wird.
Gewiß, der Ölbach ist jetzt ein Schreckensbach. Aber früher war er anders. Da war er ein westfälischer Junge, der lustig durch Wiese und Wald streifte. Im klaren Wasser schoß die Forelle, in Löchern hockte der Krebs. Auf den Wurzeln am Bachrand lauerte in herrlichem Farbenkleide der Eisvogel auf das Fischlein. Da waren auch ein Fischotter und ein Hecht. Auf der Wiese stolzierte der Storch und hüpften der Wiedehopf und die Schnepfe. Im Gebüsch trillerte die Nachtigall. An trockenen Hängen bohrte sich der Dachs in der Erde (Grimmel). Abends lugte das Reh durch den Busch. In Tümpeln und Teichen bummelten Karpfen, und unten im Schlamm wühlte der Schnauck. Im Frühjahr schmückten sich die Wiesen mit Blumenkränzen. Da fanden sich Lichtnelke, Klappertopf, Orchis, Wiesenkönigin, Wollgras, Lungenkraut, Drieblatt-Zottenblume (menyanthes), Schwertlilien und die Massen der Frühlingsprimeln. An den Abhängen blühten Skabiosen, Labkräuter, Veilchen, Glockenblumen, Thymian, Brombeeren, Bittersüß, Pfaffenhütle, Geißblatt. Am lichten Waldrande: Buschwindräschen, Salomonsiegel, Erdbeeren, Himbeeren, Maiblumen, Waldbeeren, Waldmeister. Auf dem Baume aber wuchs die Mistel.
Auf den Höhen: Die riesigen Buchen und Eichen, wie sie so stark und zäh nur auf westfälischem Lehmboden wachsen. Dazu gediehen auf dem fruchtbaren Boden allerlei Tee- und Heilpflanzen, die vor längerer Zeit noch manchmal von Hessenfrauen gesucht und getrocknet wurden. In den Wiesen hatten sich stellenweise Torfschichten gebildet. 1858 geriet auf dem Sporkel in Harpen der Torfboden bei der Dürre in Brand, und man mußte das Feuer ausgraben.
Das Ölbachtal war also ehemals als stilles Wiesen- und Waldtal an Flora und Fauna interessant und landwirtschaftlich sehr lieblich. Wie ist nun der Ölbach entstanden?
Damit kommen wir zur Geologie. Wenn man über die Vergangenheit der Erde etwas wissen will, muß man sie öffnen und feststellen, was darin ist. Dies geschieht bei Anlage von Steinbrüchen und Sandgruben, bei Ausschachtungen, Bohrungen, Schachtabteufen, Bachregulierungen. Und da sehen wir, daß tief in den Schichten des Lehms oder an Abhängen allerlei ortsfremdes Gestein sich findet, das nordischen Ursprungs ist, das seine Heimat in Finnland und auf nordischen Inseln hat, verschieden gefärbte Granite, Porphyre u. a.
Besonders zahlreich kommen sie zutage in der Ecksee, dort liegt zum Beispiel bei Wimmeler ein Block von 86 cm Länge; sie liegen aber auch südlich des Ölbaches als kleine Steine auf der Höhe von Zeche Robert Müser. Diese Findlinge, wie man sie nennt, sind Zeugen der Vergletscherung in der Eiszeit. Damals hatten sich ungeheure Eismassen von Norden vorgeschoben und bedeckten in etwa 200 m Mächtigkeit unsere Gegend südlich bis zur Ruhr oder stellenweise darüber hinaus. Das Eis hatte bei seinem Vorrücken große und kleine Gesteinsbrocken, Sande und Tone, die vom Bodengrunde aufgenommen oder an den Seiten vom Eis mitgerissen worden waren, fortgeschleppt. Als das Eis abschmolz und sich wieder nach Norden zurückzog, blieben Steine und Sande liegen und wurden durch Schmelzbäche aufgeschüttet; das sind die sogenannten Endmoränen in der Sandgrube am Palmber zu Laer (bei Siever), bei Schulte-Suntum, an Zeche Karoline; das sind die Stellen wo Mauersand geholt wird.
Nachdem das Eis auf die entgegenkommende Ruhr gestoßen und ihr schließlich den Weg verlegt und sie westwärts gedrängt hat, hat es den Ruhrschotter und Ruhrsand vor sich her aufgetürmt und stellenweise auch nordisches Material zurückgelassen. An der Schichtung der Moränen sieht man, daß hier ein wüstes Ringen zwischen Wasser- und Sandmassen stattgefunden hat.
In der Nacheiszeit mit ihrem nordischen Klima lebte hier auch das Rentier, wie die Auffindung eines Geweihes bei der Anlage von Klärteichen im unteren Tal beweist (Bergschule).
Noch etwas, das bemerkenswert ist: Das Ölbachtal ist verhältnismäßig sehr breit bis 2 km und muldenförmig, etwas anders geformt wie sonst Täler. Wenn man nun berücksichtigt, daß das Eis damals bis zur Ruhr vorgestoßen ist, so erscheint das Tal offensichtlich als ein gewaltiger Gletscherschliff einer südwärts zungenförmig vordringenden aushobelnden Eismasse.
Beim Abschmelzen des Eises ist schließlich von dem starken Schmelzstrome nur noch der geringe Ölbach übrig geblieben. Als das Eis verschwunden war, trocknete der zurückgebliebene Schlamm ein und wurde von starken Winden gegen die Ruhrhöhen getrieben. Dort lagerte er dünenmäßig und bildete den Lehm, oft viele Meter mächtig, dessen Fruchtbarkeit das Ölbachgebiet seine gesegneten Kornfelder (Kornharpen) und Buchenwälder verdankt.
Nun wollen wir durch die Oberhaut des Lehms noch tiefer in den Boden einschneiden. Da liegt unter der Lehmschicht in breiter Front etwa zwischen Essen und Castrop eine Kiesschicht, der sogenannte Höhenschotter. An vielen Stellen des Ölbachtales kommt er zum Vorschein. In ihm begegnet uns das tertiäre Ruhrbett, höhergelegen als das heutige. An den Gesteinen, die aus dem Sauerland von Ruhr, Lenne usw. stammen, erkennt man das ohne weiteres. Damals floß die Ruhr also nicht west-, sondern nordwärts zur Lippe hin; und erst durch die Eispackung wurde sie abgelenkt. Das Gebiet von Bochum mitsamt dem Ölbach hat also damals in der Ruhr gelegen.
Schneiden wir noch tiefer in die Erde, dann treffen wir auf die Ablagerungen des Kreidemeeres in Mergel (Mergelkuhlen); seine Küste lag in unserer Gegend. In einem Steinbruch an der Wiemelhauser Straße sieht man an dem Geröll, wie das peitschende Wasser an der Küste gebrandet hat; und in einem kleinen Steinbruch südlich der Wieschermühle an der Eisenbahn sieht man, wie dem Kopf des Karbongebirges ein grauer Hut, nämlich Mergel, aufliegt. Im Grunde des Ölbaches ist kalkiger Ton und in den Wiesen Wiesenkalk zu finden.
Gehen wir noch tiefer in die Erde, treffen wir überall auf das Karbon, aus dem unsere Bergleute die Kohle fördern. In kleinem Maße begegnet uns dieses Gebirge auslaufend am Bachrand an der Wieschermühle und mit kleinen Kohlenflözen an der Ziegelei in Laer. In ganz großartiger Weise haben wir ein Profil vor uns in dem Riesensteinbruche von Zeche Klosterbusch, das uns die Schichten, Faltungen und eingeschlossenen Hohlenfelder von Flöz Finefrau zeigt. Vor diesen Wundern der Unterwelt und dieser Schöpferherrlichkeit Gottes steht man in Ehrfurcht still. Bei seinem zermalmenden, tiefschürfenden Vordringen hat das Eis in der Nähe der Ruhrberge auch noch anstehendes Gestein und Konglomerat weggedrückt. Ein großer Brocken Finefrau-Konglomerat (1,90 m Länge) lag am südlichen Ufer des Baches zwischen Harpen und Werne (jetzt Ehrenmal in Werne); ein anderer grüßt uns am Toreingang von Jürgens in Laer (1 m lang); ein weiterer war nördlich des Baches beim früheren Haus Wiesche gelegen; am Pfarrhaus in Harpen steht einer, der einst als Torpfeiler gedient hat; und die Steinzeitleute von Harpen und Altenbochum haben aufgefundene Finefrau-Brocken als Mahlreibsteine benutzt.
Damit hat der Ölbach die Tür zu seinem geologischen Archiv aufgeschlossen. Wie eine Urkunde im Museum, so liegt das Bild des Werdens unserer Landschaft hier vor uns.
In dichten Wäldern und saftigen Wiesen, die später unsern Ölbach umrahmten, herrschte reiches Tierleben.
Als 1928 der Bach an der Wieschermühle wegen Versumpfung der Wiesen (infolge Bodensenkung) reguliert und begradigt werden mußte, fanden sich in 3 – 4 m Tiefe eine Menge Tierknochen, Schädel und Geweihstücke. Da sie in kalkigem Ton eingebettet und von der Luft abgeschlossen waren, sind sie gut erhalten geblieben.
Da sind Schädel, Knochen vom Wildpferd, das damals noch Jagdtier war, von Hirsch, Reh, Wolf, Hund, Wildschwein und Kleintieren. Sogar menschliche Reste begegnen uns in Gestalt eines Kinderschädels (8 Jahre) und ein Stück Hirnschale von einem Manne. Besonders aber interessieren uns die vielfachen Knochen des Ur, des Vorläufers unseres Rindes. An den Schädeln dieses gewaltigen Tieres sitzen noch die starken Hornzapfen; die Hörner selbst, wohl anderhalb Meter lang und spitz zulaufend, sind leider nicht erhalten. Die Zapfen der Kühe sind viel kleiner und entsprechen denen der jetzigen Kuh. Auch viele Zähne von Wildpferd und Ur, mit Schmelz, konnten wir auflesen. In einem Urkalbschädel sieht man eine viereckige Einstichstelle, vielleicht von der Lanze eines Jägers. Die Fundstelle liegt da, wo Ölbach und Karolinenbach sich treffen. Offenbar war dort eine teichartige Ausbuchtung, die den Tieren als Tränke diente, und die von den vorzeitlichen Jägern gern zur Jagd benutzt wurde. Die Schädel und Knochen, die man nicht brauchte, wurden, um nicht später kommende Tiere zu erschrecken, durch Versenken im Wasser beseitigt. Vielleicht erklärt sich daraus, daß mehrfach bei Ausschachtungen in und am Ölbach in Harpen und Gerthe derartige Reste in 1 ½ bis 3 m Tiefe zutage kamen. Manchmal mögen darunter wohl auch Reste von Opfertieren gewesen sein.
Vor längeren Jahren ging ich einmal mit Archivar Kleff durch Harpen. Wir sprachen beide unsere Verwunderung aus, daß bei dem hohen Alter von Harpen bisher überhaupt nicht die geringsten Bodenfunde gemacht wurden. Aber unverhofft kommt oft! Kurze Zeit darauf, nämlich 1928, öffneten sich die Boden-Archive auf dem Knust und an der Verbandsstraße in Harpen u. a. und beglückten uns mit vielen interessanten Resten uralter und mittelalterlicher menschlicher Kultur. Aus dem Schlamme des Ölbaches stiegen zwei durchbohrte Hämmer aus Hirschgeweih auf, einst gebraucht als Werkzeug oder Wurfgerät. Mit Ehrfurcht haben wir sie betrachtet, denn sie stammen aus der mittleren Steinzeit vor mindesten 10 000 Jahren, sind also der erste Gruß eines hiesigen urzeitlichen Menschen, der damals noch wenig seßhaft war und von Jagd, Fischfang sowie Sammeln von Früchten und Wurzeln lebte.
Der Neandertaler hat sich bisher noch nicht vorgestellt. Jünger, aber auch sehr als sind ein bearbeiteter dicker Faustkeil aus Feuerstein sowie ein geschliffenes Beil (nordisch), ein Messerchen, Mikrolithen, sämtlich aus Feuerstein und in Kornharpen gefunden.
Mehrere Meter tief im Ölbach lag ein 12 Kilo schwerer Schleifstein, Findling aus hellrotem nordischem Quarzit, ringsum behauen und oben und an einer Seite wie poliert; er war jedenfalls zum Schleifen von Steinbeilen benutzt worden. Aber da ist noch etwas sehr Schönes: Ein Jadeitbeil aus der Harpener Ziegelei am Hellweg, 18 cm lang und 8 cm breit, aus der Glockenbecherzeit vor 4 000 Jahren stammend. „Jadeit“ ist grünlicher Halbedelstein, wie er in den Alpen und in Schlesien gefunden wird. Der Schliff ist wunderbar, so daß das Licht sich noch in ihm spiegelt. Dieses Beil wird mit seinem vornehmen Besitzer von Süden her den Rhein abwärts nach Westfalen gekommen sein.
Wer ermißt aber unser Staunen und unsere Freude, als eines Tages 1938 beim Bau der Siedlung auf dem Knust in Harpen und an der Ziegelei Wintermann in Altenbochum ganze jungsteinzeitliche Dörfer, wie sie vor 4 000 Jahren bestanden, aus der Erde auftauchten. Steinzeit nennt man diese Periode, weil der Mensch damals noch kein Metall kannte und sich mit Stein begnügen mußte. Die Bewohner obiger Stätten gehörten zu dem Volksstamm, der aus Mitteldeutschland gekommen war, den wir nach einer aufgefundenen Siedlung in Rössen bei Merseburg die „Rössner“ oder nach der Art ihrer Bearbeitung von Töpferwaren „Bandkeramiker“ nennen. Diese Leute hatten Weizenboden gesucht und hier auf den Höhen des Ölbaches vorzüglichen gefunden und sich angesiedelt. Sie sind offenbar hochgewachsene intelligente Menschen gewesen, die gut mit Speer, Pfeil und Steinaxt umzugehen wußten, aber auch geschickt waren in Feldbau, Weben und Töpfern. Der Boden hat uns allerlei von ihnen aufbewahrt: Mahlsteine, 40 cm lang und 17 cm breit, aus aufgelesenen Findlingen (Finefrau, Konglomerat) mit handgroßen Reibern; Stücke von Steinbeilen, ein weicher Sandstein, der als Mörser gedient hat, kleine Steinambosse, auf denen die Feuersteingeräte geschlagen wurden, und dann diese selbst in großer Zahl, nämlich 1 Küchenmesser, 1 Taschenmesser, 1 Ziehmesser, Kratzer, Schaber. Und dazu die Keramik: an 3 Ösen aufgehängte ampelartige Schalen, große rauhe Vorratstöpfe (außen durch Feuer rotgebrannt, innen noch tongrau), dunkle dünne Ziergefäße mit fein eingestochenen Bändern und Mustern. Das Schönste ist ein Stück von einer dünnwandigen dunklen Vase, auf der zwischen Zickzackbändern kunstvoll stilisierte Weizenfelder eingestochen sind, deren Zartheit und Lebendigkeit Bewunderung erregt (vor 4 000 Jahren). Dieser jungsteinzeitliche Künstlerin, hat nicht ahnen können, das wir nach Tausenden von Jahren noch ehrfürchtig diese Töpferarbeit betrachten und bestaunen würden.
In diesen Siedlungen sehen wir auch Kochgruben mit Brandschutt, Abfallgruben, Vorratsgruben für den Winterbedarf, deren brauner, grauweißer, gelber Inhalt wahrscheinlich aus Rüben, Wurzeln, Nüssen oder Bucheckern besteht. Wie oft mögen die Steinzeitleute aus ihren Holzhütten zum Ölbach oder seinen Nebenbächen gelaufen sein und gejagt, gefischt oder auch Wasser zum Trinken und Waschen geholt haben!
Eines Tages kam an der Ziegelei in Altenbochum sogar der Grundriß eines ihrer Häuser zum Vorschein. Es war die vermoderte Holzspur des Fundamentes (Blockhaus), ein Rechteck, westöstlich gerichtet, etwa 8 m lang und 4 m breit, das Urbild des heutigen westfälischen Bauernhauses. Den Spuren nach war neben dem Hautraume noch ein kleinerer oder eine Vorhalle. Leider ist die frische Spur bald darauf durch Aufbauten der Flak völlig zerstört worden.
Da, wo der Kornharpener Nebenbach entspringt, erstreckt sich schnurgerade der moderne Ruhrschnellweg. Als dieser 1928 gebaut wurde, stiegen aus der Erde die Spuren eines germanischen Dorfes Ur-Kornharpen. Die Erde war langhin dunkler Kulturboden, oft durchsetzt mit Scherben, Aschenresten und gebrannten Lehmstückchen. Die Häuser waren restlos aus Holz gebaut, die Wände bestanden aus Flechtwerk und waren mit Lehm beworfen und geglättet, von dem nach Abbrennen des Hauses sich rotgebrannte Stücke noch erhalten haben.
Ob die Germanen, die hier wohnten, Sigamberer oder Brukterer waren, weiß man nicht. Jedenfalls waren sie keine Wilden, sondern ein bäuerliches Kulturvolk, das Ackerbau und Viehzucht trieb wie heute, die Jagd liebte und im Kampfe waffenfroh und gewandt war. Da ist ein Spinnwirtel, also hat man gesponnen, und da ein Webergewicht, also hat man Zeug gewebt, und da das Randstück einer Kupfersschale, also hat man Zierat im Hause gehabt und gehandelt; denn hier gab es kein Kupfer; und da ist ein Schleifstein zum Schärfen von Sicheln und Messern, also hat man geerntet, und da liegen Stücke von rheinischen Mahlsteinen, also hat man Mehl bereitet. Auch allerlei Keramik kam uns in die Hand, schwarze und rote, und zeigt glatte Töpferscheibenarbeit (der Männer), aber auch Hausmacherware in Gestalt von dicken eimerartigen Rauhtöpfen, handgemacht von Frauen, die oben am Rand als Schmuck ihren Daumen verewigten.
Wir tun dort einen Blick in eine germanische Küche. Aber woher wissen wir das? In einer altgermanischen Scherbe, die zu einem 40 cm breiten Backtopf gehört, saß ein kohliger Belag des angebrannten Inhalts. Eine durch Professor Grüß in Berlin vorgenommene chemische und mikroskopische Untersuchung hat ergeben, daß darin waren: 20 Stärkekörner, Fetttröpfchen, Amylopektionskelette, Spreuzellreste, viele Hefen, Haarbruchstücke aus dem Weizenbart und Teile von Rinderhaaren. Daraus ergibt sich folgendes Bild:
Die Frau hat in der Küche einen Topf vor sich gehabt, in dem sie Stärkekörner, also Mehl, Fetttröpfchen, also Milch, Hefe u. a. mengte, um Brot oder Kuchen zu backen. Sie ist eben im Stall gewesen und hat gemolken und da sind ihr nun einige Kuhhaare am rauhen Ärmel hängen geblieben und nachher beim Kneten in den Teig gefallen. Das ist ein Bild aus der germanischen Küche vor 2000 Jahren in Harpen.
Etwa 200 m von diesem Germanendorfe am Ruhrschnellwege liegt eine Stelle, die uns Funde aus der Völkerwanderungszeit, 300 Jahre nach Christi, bescherte. Hier sieht man in der Keramik schon römische Einfluß: Töpferscheibenarbeit, Formen germanisch, Technik römisch. Zwei schöne Gefäße konnten durch Dr. Wildschrey wieder zusammengesetzt bzw. ergänzt werden, ein schwarzes, terra nigra, und ein graues. Sie dienten entweder als Eßgeschirr oder auch als Grabbeigabe. Die gefundenen Gruben enthielten neben Scherben und Knochenresten auch Holzasche, so daß man an Brandschuttgräber denken kann. Eine römische dicke Schale mit einem eingestochenen Pflanzenmuster ist bemerkenswert. Römische Glasscherben sind auch da. Aber es finden sich auch Randstücke späterer Zeiten von hellbraunem, frühfränkischem, karolingischem, ottonischem Geschirr. In der Nähe lagen ferner Stücke von Eisenstein, die auf eine Schmelze schließen lassen.
Beinahe hätte ich die germanische niedliche Kindertasse aus grauem Ton vergessen, die an Größe, Form, Gemütlichkeit und Henkellosigkeit dem „Hessenköpchen“ gleicht. Man hat aus den Funden den Eindruck, daß die Leute schon regen Handelsverkehr mit den Römern hatten (von Duisburg her auf dem Hellweg). Sehr oft kann man auf den Feldern sogenannte Siegburger Topfscherben aus dem Mittelalter auflesen, bei denen der untere Rand mit dem Daumen gedrückt ist; dies Geschirr muß früher sehr viel in den Bauernhäusern gewesen sein.
Wir sprachen mehrfach vom Hellweg. Der überschreitet seit mehr als einem Jahrtausend den Ölbach und zwar an drei Stellen (in Harpen, Werne und Uemmingen). Immer mußte Vorspann genommen werden, um wieder auf die Höhe zu kommen. Was glauben Sie, was der alte Knabe Hellweg alles geschaut hat, wenn er überschritten oder durchfahren wurde. Er mag geknurrt haben, wenn Germanenzüge mit Karren und Vieh einfach durchs Wasser zogen und es verschmutzten; und geschimpft, als römische Legionen eisenklirrend über ihn marschierten: „Was wollen sie hier in meiner Heimat“? Er hat getobt, als 40 000 Sygambrische Landsleute mit ihren Familien von Römern westwärts fortgetrieben, evakuiert wurden. – Er hat sich gefreut, wenn hohe Herren kamen: Kaiser Karl der Große, Karl der Vierte, Herzöge, Erzbischöfe und Bischöfe, Kurfürsten, Äbtissinnen, militärische und politische Würdenträger. Da kommt ja auch mit seinen Begleitern der ehrwürdige Mönch Ludger, der von Werden her durchs Land zieht, um die christliche Wahrheit zu verkündigen. Und da sind es die Hansaherren, Gelehrte, Künstler, Geistliche. Er hat neugierig nachgeschaut dem fahrenden Volke, feilschenden Händlern, singenden Studenten und Musikanten, stolzen Kaufmannswagen und Landsknechttrupps, getriebenen Herden, Hochzeitszügen und Beerdigungen.
Unheimlich war es ihm, als im Mittelalter an seiner Hölterbrücke 1388 ein Kampf stattfand und manches Grab gegraben wurde. Ein böses Gesicht hat er gemacht, als 1437 die Dortmunder nach Harpen zogen in einer Winternacht mit großer Heeresmacht, um im Hause Lüdkendorp in Harpen die versammelten märkischen Ritter auszuhaben, und hat gelacht, als sie mit langen Gesichtern zurückkamen; denn sie waren angeschmiert; kein Ritter war da.
Schadenfroh wird er gelacht haben, als der Dortmunder Reiterführer Bernt von Witten 1445 mit 24 Reitern über den Ölbach nach Harpen jagte, um Vieh zu rauben, und die Bauern ihn gebührend empfingen, so daß er schleunigst zurück mußte, aus Wut aber die Hellwegschlagbäume (Rennebäume) an der Lütgendortmunder Grenze zerstörte.
Getrauert hat er über die wilde Soldateska des Dreißigjährigen Krieges, die plündernd umherzog: Kaiserliche, Schweden, Holländer usw., und über die Verheerungen der Spanier unter Mendoza. Getrauert auch über die Franzosen im Siebenjährigen Krieg und 1806. Gejubelt aber hat er, als die ersten preußischen Husaren 1813 unter ihrem Leutnant Grolmann aus Bochum über seine Brücke in Harpen westwärts nach Bochum weiter jagten.
Auch ein Ölbach hört gern etwas Neues und Interessantes. Es hat ihn gefreut, daß die häßliche ihn überquerende Seilbahn von Zeche Mansfeld stillgelegt werden soll, auch daß ein Bergmann an seinem Ufer bei Haus Heven eine Bienenköniginnenzucht angelegt hat und in Querenburg eine Zucht amerikanischer Biber ist. Vor Freude hat er geschäumt, als man ihm erzählte, der Schlamm aus seinen Klärteichen bei Haus Heven wäre auf dem Felde verarbeitet und bepflanzt worden und hätte schöne Kartoffeln und Stangenbohnen eingebracht ohne Benzol- und Fäulnisgeschmack. Aber wenn er daran denkt, was er 1919 und 1945 an Trupps, militärischen Kolonnen, Tanks, Bombengeschwader über sich hat ziehen sehen, dann verhüllt er sein Gesicht und – schweigt. Wenn man sich in all dieses hineindenkt, dann liegt es wie ein großes vielfarbiges Panorama vor unseren Blicken.
Ein so liebliches, stilles, fruchtbares, zu Ackerbau und Jagd einladendes Tal, wie das Ölbachtal, hat schon früh die Menschen angezogen. „Hier ist gut wohnen“. Und die unmittelbare Nähe der großen Verkehrsstraße hatte ja auch ihre Vorzüge.
So haben sich schon in alter Zeit auch die Rittergeschlechter angesiedelt: die Heeren auf den Häusern:
Von Dreyre, Langendreer (14. Jahrhundert),
Holte (vom Holte, von Loe),
zur Wiesche oder Harpen,
von Aldenbockum,
Hafkenscheid und von Düngelen,
Goy, 1340 Grottfried von Goy,
Laer, 1493 von Leyte,
Heven, von der Heven und von Elberfeld.
Erstaunlich viele auf diesem Gebiet! Auf solchen Häusern herrschte mannigfaltiges Leben ritterlicher, heimatlicher und künstlerischer Art. Es ist seit altersher bis heute die miserable Unsitte gewesen, daß man alles, was man verschwinden lassen wollte, einfach in den Bach warf. So erschienen bei Erdarbeiten im Bachbett an der Wieschermühle außer den schon erwähnten Tierknochen und Scherben: ein Randstück einer spätrömischen Vase, erhebliche Reste eines Kugeltopfes aus dem 9. Jahrhundert, Pingsdorfer Ware, ein eigenartiges Hufeisen, kleiner als heute, lustig anzusehen, sehr dünnwandige Vasenreste, Siegburger, nicht getöpfert, sonder geblasen, 1000 Jahre alt, ein kleiner bronzener Beschlag, graue gekörnte Scherben aus der Völkerwanderungszeit und spätfränkische, karolingische, eine Stück einer Lanzenspitze, Brocken alten glasierten bunten Bauerngeschirrs, ja sogar die lange Spitze einer Tonpfeife aus der Zeit des königlichen Tabakkollegiums. Am Ölbach liegen 2 alte Widume, Pfarrhäuser. Das Ümminger gehörte zu der mittelalterlichen, leider abgebrochenen Kirche. Das Harpener liegt am Sporkel, ganz abgelegen und einsam, inmitten von Wiesen, Garten und Obsthof; es barg in alter Zeit unter dem Dach ein Burghorn (= Bauernhorn), mit dem man im Notfalle bei Feuersnot nach dem Dorfe hin alarmieren konnte. Solche Hörner waren früher in allen Bauernschaften üblich. In der Harpener Widume wohnte 1832 – 1879 der Pfarrer und Superintendent Rosenbaum, ein echter aufrechter Westfale und origineller Mann, der stets im Zylinder und mit langer Pfeife ging, auch zu Amtshandlungen. Er war der stille König und Herrscher seiner uralten Gemeinde Harpen mit Gerthe, in Bochum Stadt und Land bekannt als volkstümlicher Redner und plattdeutscher Dichter („Der Hellweg“).
Die Ölbachleute sind allezeit besinnlich und zäh in ihrem Denken gewesen. Vor 100 Jahren erzählte man noch von den Römern und Karl dem Großen, die hier gewesen wären, und von Wittekind. Man kannte auch den Vers: „Hiärmen, slo Liärmen, slo Pipen, slo Trummen, dä Kaiser will kummen met Stangen und Prangen, will Hiärmen ophangen.“ Der alte Aberglaube aus der Heidenzeit saß fest. Mitte des vorigen Jahrhunderts hexte und spökte es noch in allen Ecken in Harpen und Gerthe. Man redete von dem Mann mit dem Kopf unter dem Arm, glaubte an Menschen, die sich in Tiere verwandeln konnten. Frauen und Kinder ängstigten sich vor Werwolf und Zauber am Vieh und Menschen und mieden die „Hexenplätze“. –
Als man christlich geworden war, hielt man mit Zähigkeit und Liebe an Glauben und Kirche. „Hand am Pflug und Gott im Herzen“, „Dä Kiärke maut mä bihollen.“ Auf dem „Notweg“ konnte der Bauer von seinem Herdfeuer direkt bis an den Altar gehen. Bis etwa Mitte vorigen Jahrhunderts gab es auch noch manche Trachten. Der Bauer ging bei feierlichen Gelegenheiten in Tuchrock, Kniehose, weißen Strümpfen und silberbeschlagenen Schnallenschuhen und deftigem Zylinder, später in Kappe und blauem Kittel. Die Frauen und Mädchen erschienen in Mützchen und bunten Kleidern und Tüchern. Auswärts erzählte man sich, die Harpener hätten besonders knallige Farben geliebt. Alte Frauen trugen bei ernsten Anlässen die „Haike“, einen langen schwarzen Umschlag mit Stirnkappe. Es wird wohl sicher ein liebliches Bild gewesen sein, wenn die Kirchgänger zum Gottesdienst schritten, unter dem Arm das alte dicke Gesangbuch mit dem Titel „Kern und Mark“ und dem Vers auf der ersten Seite:
Hier sieht die Grafschaft Mark
Das Mark der besten Lieder,
den Schatz, so manches Herz
Erquicket hin und wieder – 1776.
Man kann wohl sagen, wie Stiepel, so ist auch Harpen-Gerthe eine Welt für sich. Hier wohnten innige Heimatliebe und war Sitte noch eine Macht. „Wamme dä Kiärktorm von Harpen süht, es mä wiet genaug“. Heute ist vieles anders geworden, aber es liegt doch noch ein stiller Friede über diesem Teil der Großstadt. Die mächtigen Schultenhöfe und deftigen Halbbauern- und Kötterhäuser in Gerthe, Harpen, Laer an der Bodenwelle angeschmiegt oder im Tal versteckt, sind ein Bild urwüchsigen westfälischen Bauerntums. Sie verdanken ihren Wohlstand dem gesegneten Boden des Ölbaches. Die Gerther Bauern waren 1486 die reichsten weit und breit. Über die Dellentür schrieb der fromme Bauer einen Spruch, worin er seinen Besitz in Gottes Hand stellte. In einem Laerschen Bauernhaus (Bergmann) ist vor kurzem eine Balkeninschrift, die lange Zeit auf dem Boden lag, wieder angebracht worden und zu Ehren gekommen. Diese wohl einzigartige Inschrift heißt: „Wenn ihr ein Haus bauet, so maget eine Lehne darum die in gläubiges Vertrauen a(uf) d(ie) G(üte) u S(egen) G(ottes) 5. Mos. 22,8. 1798, 17 Juli.“
Jeder muß im Leben arbeiten. So ist es auch dem Ölbach ergangen. Die Menschen haben ihn dazu angespannt. Auf seiner kurzen Wanderung von 2 ½ Stunden mußte er erstaunlicherweise sechsmal Mühlenräder drehen: In der Holter-, Wiescher-, Suntumer-, Hevener-, Ostermanns- und Luhns-Mühle. Außerdem setzte er noch den Daumhammer in Laer in Bewegung und half dort das Eisen schmieden und Sensen anfertigen. In Harpen berührte er eine Gerberei und in Berghofen eine Ziegelei. Im Kleinen mußte er im Frühjahr ununterbrochen von der Quelle bis zur Mündung Wiesen flößen und also düngen, dafür lag über seinem Lauf wie ein stiller Dank der köstliche Duft des Heues.
Der Bergbau rückte ebenfalls in dieses Ölbachgebiet vor. (Stollen Isabella in Laer, Stollen im Lottental). Seit knapp 90 Jahren wagte sich der Mensch auch senkrecht in die Erde. Es entstanden die Schächte von Lothringen, Mansfeld, Harpener-Bergbau, Dannenbaum und aus dem ehemaligen „Glück und Segen“ wurde ein Tiefbau Klosterbusch.
Im Jahre 1853 war der Ritter von Kohle und Eisen von Dortmund in unser freundliches Tal gekommen. Er hatte Wohlgefallen gefunden an der lieblichen Bauerntochter Harpen, die so schön bräutlich in Feld-, Wiesen- und Waldschmuck prangte. Es war ihm aber nicht so sehr um Hand und Herz zu tun, als um die Schätzen schwergefüllte Truhe, die im Keller heimlich verborgen ruhte. Er hat die Schätze herausgeholt, unter die Leute gebracht und ist ein großer weltbekannter Mann geworden. Geheiratet hat er die Bauerntochter nicht: aber zur Erinnerung an sie hat er wenigstens das getan, daß er seinem Geschäfte den Namen „Harpener-Bergbau“ gab und sie bis heute je und dann mit Geschenken erfreut, letzthin noch durch 4 schöne Kirchenfenster mit Bildern aus der Bergmannsarbeit.
Der Ölbach war anfangs eigentlich stolz, als in seinem Bereich hohe festungsartige Gebäude und himmelragende Kamine und Fördertürme sich emporreckten. Allerdings wurde er etwas mißtrauisch, als er merkte, wie die reine Luft seines Tales verqualmt wurde, und wie durch die Zechen sein Wasser und die ihm zuströmenden Bäche und die armdick aus dem Lehm hervordringenden Quellen immerhin abnahmen und er also abmagerte und die Zuflüsse endlich fast völlig versiegten. Das kam daher, daß der Bergbau das Grundwasser in die Tiefe zog. Aber der Ölbach konnte sich wieder beruhigen: denn das fehlende Wasser wurde ihm von den Zechen, die nun das Grubenwasser zuführten, reichlich und doppelt ersetzt, so daß er fast stärker war als früher. Aber auch andere Flüssigkeiten ergossen sich in ihn: Schreckenswässer aus chemischen Werken und aus Kanälen. O weh, als er diese neuen Gewässer zu schmecken kriegte! Das roch und schmeckte wie Säure, Jauche, Benzol, Salz. Dabei wurde dem armen Bache so schlecht zu Mute, daß er meinte, der Boden sinke unter ihm weg, und er kriegte schweres Erbrechen, ganze Sumpfstrecken voll an der Wieschermühle.
Aber es half ihm nichts, er mußte weiter das üble Wasser schlucken und war ein Packesel geworden für alles, was andere Leute an Abwässern los sein wollten, und mußte sie zur Ruhr transportieren.
Da war alles Leben und alles Schöne in ihm erstorben. Ja, er mußte schließlich sogar um den Dreck schneller und glatter zur Ruhr bringen zu können, sich in eine Zwangsjacke von Stein und Zement stecken lassen, er wurde zum Abwässerkanal.
Die Gestalt des Tales und seine ziemlich dünne Besiedelung sind der Grund gewesen, daß man durch den Boden in Richtung Süd-Nord die großen Wasserrohrleitungen (85 cm) sowie die Gasfernleitung und über Tage die Hochspannungsleitung, alle drei in friedlichem Parallelismus, gelegt hat. Leider wußten die Ami- und Tommy-Flieger das auch und erlaubten sich, diese für die nördliche Industrie so wichtigen Anlagen mit Sprengbomben, Teppichen und Brandbomben zu bombardieren, so daß im Tale wüste Trichterfelder entstanden. Die feindlichen Flieger haben aber auch gemerkt, daß die Flakstellung zwischen Ölbach und Kalwes Schwindel war und haben nicht darauf geworfen.
Der Ölbach ist heute entstellt und gegen früher nicht wiederzuerkennen. Kein Mensch will mehr an seinem Rande sitzen. Schließlich ist er froh, wenn er sich in die Ruhr stürzen, dort untertauchen und sein Geigenleben beenden kann. Vom nahen letzten Klärteiche her quaken ihm die Frösche und schnattern ihm die Wildenten den letzten Gruß nach. Einst wurde er bei seinem Einzug in die Ruhr von den dort wohnenden Bibern mit frohem Geplätscher begrüßt, lang ist’s her. Und doch! Er bleibt der alte Ölbach, der uns so viel erzählt hat.
1954 Bochum Ein Heimatbuch
6. Band
Herausgegeben von der Vereinigung für Heimatkunde E.V.
Druck und Verlag:
Märkische Vereinsdruckerei Schürmann und Klagges – Bochum 1954