Der Bochumer Tierpark im Dienste der Heimatkunde

 

Fritz Mayr

 

Die Stadt Bochum hat mit der Schaffung des Tierparks ein Werk begonnen, das in den fünf Jahren seines Bestehens mehr und mehr die Anerkennung seiner zahlreichen Besucher gefunden hat. Es handelt sich bei dieser naturkundlichen Anlage nicht um einen zoologischen Garten, der die vielgestaltige Tierwelt ferner Länder zeigen will. Es ist vielmehr von Anfang an der Gedanke des neuzeitlichen Heimattiergartens in den Vordergrund gerückt worden. Gedacht ist also ein Park, der den Besuchern, und vor allen Dingen der Stadtjugend, die in Naturferne aufwachsen muß, die Tierwelt der Heimat vor Augen führen will. Durch diese Zielsetzung reiht sich der Bochumer Tierpark jenen Pflegestätten an, die im Dienste der Heimatkunde stehen, und er gewinnt damit wie diese eine hohe volksbildende Bedeutung.

 

Durch die günstige Lage des Tierparks im schönen, vielbesuchten Bochumer Stadtpark wird im vollsten Maße erreicht, was man beabsichtigte. Das beweist die stetig steigende Besuchsziffer, die von Januar bis September dieses Jahres 150 000 zählte. Zahlreiche Gäste finden sich an allen Tagen ein. Besonders an Sonn- und Feiertagen ist der Tierpark ziel vieler Spaziergänger. Dabei ist zu beobachten, daß sich eine große Anzahl von Stammgästen herausgebildet hat. Der Eintrittspreis ist mit Vorbedacht so niedrig gehalten, daß er jedem Volksgenossen erschwinglich ist. Erwachsene zahlen 10 Rpf., Kinder 5 Rpf., ganze Schulklassen eine 1 RM. Den Schulen der Stadt bietet der Tierpark die Möglichkeit, dem Unterricht die lebendigste Anschauung zu geben. Sachkundige Gäste aus anderen Städten, die dem Park ihren Besuch abstatteten, äußerten sich dahin, daß die Anlage mit viel Umsicht und Sorgfalt aufgebaut sei und daß der Zustand der Tiere auf eine gute Pflege schließen lasse. Dieser Pflege ist es zu verdanken, daß der Tierpark in seinen Gehegen Vögel besitzt, die seit Jahren gesund und frisch die Besucher erfreuen.

 

Auf gedrängtem Raume sei hier an Hand eines Rundganges eine kurze Übersicht über den Tierpark und seinen Tierbestand gegeben. Treten wir durch die Pforte ein, so blicken wir in einen von sauberen, niedrigen Baulichkeiten umgebenen Rasenhof. Eine schlichte Plastik von dem Bochumer Künstler Erich Schmidt ist als Schmuck für die rosenumsäumte Grünfläche noch vorgesehen. Um den zentralgelegenen Kern, der von dem langgestreckten Vogelhaus mit seinen rechts und links angelehntem Tierhäusern gebildet wird, liegt ein von lichtem Baumwuchs und Gesträuch bestandenes Gelände, in dem sich die zahlreichen Freigehege befinden. Wir wenden uns auf dem Wege nach rechts und betrachten zunächst im Raubvogelgehege die stattlichen Mäusebussarde, Hühnerhabichte und Wiesenweihen, die einst in unserer Landschaft überall ihre Horte hatten, heute aber die Städteflur nur noch auf ihren Flügen streifen. An Wuchs und Kühnheit werden sie von ihren Nachbarn, den Stein- und Kaiseradlern aus Tirol, übertroffen. Zu begrüßen ist, das man den Gehegen eine gute Längsausdehnung gegeben hat, wodurch dem Flugbedürfnis der Tiere, so weit es hier möglich war, Rechnung getragen wird. Den königlichen Tagtieren gegenüber sitzt wie ein Raubritter der Nacht mit funkelnden Augen in seinem Gehege der Uhu. Auch Waldohreule, Steinkauz, Waldkauz, Zwergohreule und Schleiereule sind vorhanden. Sie werden erst in der Abenddämmerung lebendig und zeigen dann ihr naturhaftes Gebaren. Am Bärenzwinge vorbei, der stets zahlreiche Besucher anlockt, finden wir rechts den Weg zu einem idyllisch ausgebauten Gehege mit Sumpf und Ried und Wasser. Hier haben Brachvögel, Kiebitze, Regenpfeifer, Rallen und Uferläufer, Elstern, Eichel- und Tannenhäher ihr lauschiges Reich. Der lebensgemeinschaftliche Grundsatz, den wir hier erkennen, ist auch in allen später zu betrachtenden Gehegen beachtet. Aus Buschwerk, Gras, Erde und Stein hat man überall versucht, den artnotwendigen Raum zu schaffen, und man hat diesen möglichst locker bevölkert. Unser Weg führt uns weiter. Wir haben Gelegenheit, einige Vertreter unserer kleinen Einheimischen Raubtiere zu beobachten. Stein- und Baummarder (Goldhals!), Iltis, Füchse (von denen drei in Gerthe gefangen wurden) und Dachse, Tiergestalten, die Hermann Löns uns gezeichnet hat, lassen uns gerne verweilen. Wie verschieden ist der Charakter, der sich in Gebaren und Tiergesicht aus spricht! Fremdartig muten uns die dieser Tiergruppe beigefügten drolligen Waschbären, der schleichende Mungo und die schöngezeichnete Pardelkatze an. Es sind Tiere anderer Zonen. Sie sind als Gegenüberstellung hier wohl am Platze. Unweit dieser Abteilung, vorbei an der Meerschweinchenzucht und dem Lachtaubenhäuschen, aus dem das Girren wie leises Gelächter erklingt, liegt das Mustergeflügelhaus, das Siedlern und Geflügelfreunden eine vorbildliche Zuchteinrichtung zeigen will. Zur Linken fällt unser Blick nun auf ein lichtes Teichgehege, in dem eine Artenreiche Fauna ergötzt. Schwarze und weißer Storch, Kranich und Fischreiher, Silber- und Dominikanermöwen, Teich- und Bläßhühner und zahlreiche Entenarten geben ein lebendiges Bild. Rechts des Weges aber schenkt sich uns ein Märchen stiller Waldpoesie. Unter Birken und Hainbuchen grast im Gehege edles Damwild. – Setzen wir unseren Rundgang fort, so gelangen wir am neuerrichteten Schafstall, aus dessen Rasenfläche zwei Heidschnucken grasen, am Drossel- und Spechtgehege und den mit zahlreichen Arten belegten Fasanengärten vorbei zum westfälischen Bauernhaus, dessen Dehle Hühner, Pfauen, Tauben, Gänse und Enten beherbergt. Dieser Geflügelhof ist die stete Freude der Kleinsten. Das Haus besitzt den Kühlkeller für das im Park zu verfütternde Fleisch und den Zurichtungsraum für die Verpflegung der Tiere. – Der letzte Teil unseres Weges bietet noch in einigen Gehegen Bilder einheimischer Vogellebens. Wir sehen das lustige, immer bewegte Spiel der Meisen. Reich an Klang ist besonders im Mai – Juni der Singvogelgarten mit Buch-, Berg-, Grün- und Distelfinken, mit Zeifig und Kirschkernbeißer. Laut schallt in dieser Zeit auch der Schmettergesang aus dem Drosselgehege herüber. Schwarzdrossel, Misteldrossel und Singdrossel wetteifern miteinander. Ihnen kommt aus dem Krähengarten neben dem Affenhaus krächzende Antwort von Häher, Dohle, Elster, Saat-, Nebel- und Rabenkrähe. Alle übertönt die winterrauhe Stimme des Größten dieses Geschlechtes, des Kolkraben, der wegen seiner Robustheit in einem besonderen Gehege untergebracht werden mußte.

 

Wir sind zum Rasenhof zurückgekehrt und betreten nun das geräumte Vogelhaus. Es ist als Winterhaus der Zugvögel gedacht und so angelegt, daß alle Abteilungen ihre zugehörigen Sommergärten besitzen. Ein Einfangen und Ueberführen der Tiere im Herbst und Frühling ist also nicht erforderlich. Ueberaus artenreich ist dieser Teil des Tierparks und wohl dazu geeignet, dem Vogelfreunde eine Stätte des Beobachtens und Lernens zu sein. Der enge Raum gestattet hier nicht, eine vollständige Aufführung zu geben. Es seien nur folgende Arten genannt: Großer Brachvogel, Rebhuhn, Trauerfliegenschnepper, Kiebitz, heller Wasserläufer, Flußuferläufer, Flußregenpfeifer, Grauer Steinschmätzer, Eisvogel (!), Zaunkönig, Fittislaubfänger, Zaun-, Dorn- und Mönchsgrasmücke, Zeifig, Nachtigall, Zitronen- und Bergfink, Schafstelze, Bartmeise, Dompfaff, Bluthänsling, Heckenbraunelle, Schwarzköpfchen und Schwarzkehlchen.

 

Eine kleine Gruppe von Senegal-, Wida- und Reisfinken sowie Webervögeln stellt die fernzonige Vogelwelt der einheimischen gegenüber. Diesem Zwecke dienen auch die bunten Papageien und Wellensittiche in dem rechts neben dem Vogelhaus gelegenen Bau. Im Vogelhaus selbst ist bis auf weiteres noch eine Anzahl schmucker Aquarien mit Zierfischen untergebracht. Ein Aquarienraum und auch ein Freilandterrarium sind im Arbeitsplan vorgesehen. Letzteres soll neben dem Affenhaus seinen Platz finden. Das Affenhaus, in dem sich Kapuziner-, Goldrhesus-, Mangabe- und Javaaffen befinden, ist den Kindern zur Freude angelegt.

 

Manche geplante Aufgabe wartet im Tierpark noch der Erledigung. Wir wollen hoffen, daß sie alle nach und nach in Angriff genommen werden.

 

Die Anlage wird getragen vom Verein Bochumer Tierpark – Freunde, der begründet wurde und geleitet wird von Bürgermeister a. D. Ibing und Gartendirektor Pick. Die Bochumer Stadtverwaltung hat dem schönen Werke stets ihre Förderung angedeihen lassen.

 

Freunde und Gönner haben sich an dem Ausbau des Tierparkes beteiligt. Wir wünschen der Arbeit auch weiterhin einen guten Fortgang.  

 

Impressum

1938 Bochum Ein Heimatbuch

 

Herausgegeben im Auftrag der Vereinigung für Heimatkunde von B. Kleff

 

Druck und Verlag

Märkische Vereinsdruckerei Schürmann & Klagges

4. Band

 

 Bochum 1938

 

(Zitierhinweis 2012)

Bernhard Kleff, Hg.: Bochum. Ein Heimatbuch. Bochum 1938. Bochumer Heimatbuch Bd. 4