Für die Heimat.
Kleff
Mit süßlichen Erwägungen über Heimat und Heimatliebe können wir im Lande der Kohle wenig anfangen. Es ist nun einmal das Land der Industrie und darum ein Land der Opfer. Wir müssen uns damit abfinden: Manch freundlicher Wesenszug der alten trauten Heimat ist für immer dahin, dahin harter Notwendigkeit wegen. Aber was uns blieb, ist uns doppelt teuer. Es ist manches geschehen, was nicht notwendig geschehen mußte, und in dem bitteren Worte von einer Industrie, die Land und Leute verschandelte, liegt viel traurige Wahrheit und Anklage, auch wenn man eine Kette von Notwendigkeiten und Zwangsläufigkeiten zugibt . Aber mit einem fruchtlosen Geschimpf auf die Industrie ist nichts behoben, ist keinem geholfen, erst recht nicht den vielen, die gleichsam warten und dürsten nach Heimatstärken. Zu viele leben dahin wie in einer kalten Fremde zu der sie oft nicht viel mehr Beziehungen haben, als die von hartem Brot nach harter Arbeit. Ein Berghalde von Fragen und Forderungen schüttet sich auf, der Menschen Dasein gerade hier erträglicher, sonniger und sinniger zu machen, und in allen Heimatfragen ist die Wohnfrage nicht die letzte. Es gibt aber auch Beziehungen zu dem Boden unsers Wirkens, die nicht gezählt und bezahlt, gemessen und vergessen werden können, die sich besser fördern als fordern lassen, die fortlaufen, wenn Paragraphen hinter ihnen sind. Und wieder andres rief so lange in der Ahnung des Untergangs: „Rettet uns!“ bis ich reichlich spät die große Gewalt um letzte graue und grüne Reste mühte. Und einige Fragen dazu: Kann man überhaupt lieben, was man nicht genug kennt? Wieviele kennen unsre Heimat wirklich, wie sie heute ist? Wieviele wissen in etwa um ihre Vergangenheit? Was kümmert von all dem, was treuer Pflege wert ist in Sprache und Sitte und Sache? Was geschieht, um Zugewanderten das geistige Einwurzeln zu erleichtern? Hat man verlernt, vom innersten Wesen unserer Heimat möglich viel möglich gern in Denken, Fühlen, Wollen aufzunehmen? Soll die Heimat weiter Fremde sein, sogar denen, die hier geboren?
Freunde der Heimat schlossen sich in einer V e r e i n i g u n g f ü r H e i m a t k u n d e zusammen, um sich über alle Unterschiede hinweg zu dem Ziele die Hand zu reichen, die Heimat kennen, pflegen, lieben zu lernen. Dazu sollen zunächst helfen belehrende Wanderungen im Sommer, gediegene Vorträge – auch mit Lichtbildern – im Winter. In Anlehnung an die Hauptvereinigung wird die Bildung von Ortsgruppen rund um Bochum angestrebt; in Weitmar ist damit ein Anfang gemacht. Der Beitrag ist absichtlich so niedrig wie möglich gehalten, um allen Heimatsuchern den Beitritt zu gestatten.
Zur Zeit beträgt er nur 2 Mk.
Die Vereinigung für Heimatkunde will sich auch einsetzen für die weitere Ausgestaltung des B o c h u m e r H e i m a t m u s e u m s im Hause Rechen. Es soll mehr und mehr eine Stätte werden, wo beachtenswerte Zeugen aus der Vergangenheit der Heimat zu uns reden. Jahr um Jahr hat es seine Bestände ausgestellt sind. Im laufenden Jahre kamen u. a. wertvolle Schränke, Münzen, Porzellane, Erinnerungen an Dr. Kortum und eine plastische Darstellung der Stadt Bochum um 1800 hinzu. Das Heimatmuseum will nicht nur der Stadt Bochum, sondern der gesamten engern Heimat dienen. In Würdigung dieser Aufgabe hat auch der Landkreis Bochum in diesem Jahre zum erstenmale dankenswert 500 Mk. Zuschuß geleistet. Sicher könnte dem Museum noch mancherlei zugeführt werden, das heute nutzlos irgendwo ein verstaubtes Dasein führt. Eine naturkundliche Abteilung ist ins Auge gefaßt. Aber alles, was da ist – von der alten Bauernküche bis zum Weberzimmer, von der schlichten Urschrift der Jobsiade bis zum brächtigen Barockschrank meint: Was sollen wir, wenn ihr uns nicht besuchen kommt! Wir sind täglich von 10-3 für euch zu sprechen, auch Sonntags, und wenn es sein muß, sogar Montags.
Nicht zuletzt soll unsern Zielen dienen ein alljährlich erscheinendes H e i m a t b u c h. Der vorliegende 1. Jahrgang ist nicht eitel genug, um sich nicht aller Eigenheit eines Erstling bewußt zu sein. Noch mancherlei aus dem Werden der Stadt Bochum harrt der Aufhellung, weit mehr noch aus dem der Landgemeinden. Als eine Sonderaufgabe hat der Geschichtsausschuß für den Industriebezirk des Westfälischen Heimatbundes die Erforschung der Zechen- und Werkgeschichte ins Auge gefaßt, der Ausschuß für Volkskunde die Sammlung der alten Flurnamen und der Eigenheiten der Bergmanns- und Fabrikersprache. Auch für die Naturkunde bleibt noch mancherlei offen. Wer tut mit? Auch kleine Bausteine aller Art für Heimatkunde werden gern entgegen-genommen. Vergessen wir namentlich der alten Leute nicht, die aus alter Zeit so manches zu geben haben.
Wer in Sachen der Vereinigung für Heimatkunde, des Heimatmuseums oder des Heimatbuches etwas zu fragen, zu wünschen, anzuregen oder anzubieten hat, wolle sich wenden an.
1925 Bochum Heimatbuch
Herausgegeben im Auftrag der Vereinigung für Heimatkunde von B. Kleff.
Verlag und Druck
Schürmann & Klagges
1. Band
An diesem Heimatbuche arbeiteten mit:
Staatsanwaltschaftsrat Dr. G. Höfken
Bergassessor Dr. P. Kukuk, Privatdozent an der Universität Münster
Rektor B. Kleff, Leiter des Städtischen Museums
Redakteur A. Peddinghaus
Redakteur F. Pierenkämper
Lehrer J. Sternemann
Studienrat Dr. G. Wefelscheid
Gustav Singerhoff
Wilma Weierhorn
sämtlich in Bochum
Die Federzeichnungen besorgte Graphiker Ewald Forzig
die Scherenschnitte Frl. E. Marrè / die Baumphotographien Ingenieur Aug. Nihuus
den übrigen Buchschmuck Druckereileiter Erich Brockmann
sämtlich in Bochum
(Zitierhinweis 2012)
Bernhard Kleff, Hg.: Bochum. Ein Heimatbuch. Bochum 1925. Bochumer Heimatbuch Bd. 1