Das Gerichtswesen im Amte Bochum

im 16. und 17. Jahrhundert

 

Günther Höfken

 

Eine der immer wieder vorgebrachten Beschwerden auf den Landtagen der Grafschaft Mark im 16. Jahrhundert betraf die Rückständigkeit und Schwerfälligkeit des Gerichtsverfahrens, das sich noch ganz in den überlieferten alten Formen vollzog. Seit Ende des 15. Jahrhunderts hatte das schriftliche Verfahren in Anlehnung an den römisch – rechtlichen Prozeßverlauf seinen Eingang auch in die Grafschaft Mark gefunden, es wurde ein Gerichtsschreiber herangezogen, der die Gerichtsvorgänge protokollieren sollte (im Amt Bochum zum ersten Male 1483). Mit der Zunahme des Studiums des römischen Rechtes auf deutschen Universitäten traten auch die ersten darin bewanderten Rechtsanwälte (Procuratoren) für die Parteien als Vorsprecher in den ländlichen Gerichten auf, sie suchten durch ihre Schriftsätze dem Gericht die neuen, vom alten deutschen Recht abweichenden Rechtsansichten klarzumachen. Das ging nicht ohne Reibereien ab. 1513 beschwerte sich der Adel des Amtes Hagen, daß “kostbare Rechtsgelehrte und Prokuratoren von fern”, die durch ihr “langweiliges Geschwätz” das Landgericht aufhielten, gekommen seien und die Prozesse verteuerten). 1514 wurde im Bochumer Landgericht zur Abstellung der Beschwerden, die den Gerichtsumstand und den Mißbrauch der sogenannten Schwertklage betrafen, eine Ordinantie (Gerichtsordnung) von der Regierung aufgestellt. 1536 beschwerten sich im Landgericht Lüdenscheid die Schöffen, daß sie in den Beratungen mit dem Umstand von den Prokuratoren der Parteien mit Drohworten bedrängt würden und die Parteien ihre Ansprüche mit Beeinflussung des Gerichts durchzudrücken suchten. Dagegen wandte sich der Amtmann und stellte eine Ordnung für das Gerichtsverfahren auf, die von den klevischen Räten gebilligt wurde, aber den Widerspruch der Einheimischen fand und deshalb nicht eingeführt wurde. Vergeblich wies die Regierung 1537 darauf hin, daß auch im Erzbistum Köln eine neue Gerichtsordnung erlassen worden sei. In der folgenden Zeit suchte die Klever Regierung die 1555 für das Herzogtum Jülich-Berg eingeführte neue Gerichtsordnung auch für Kleve-Mark anzuwenden, aber die Städte fürchteten für ihre alten privilegierten Gerichte und lehnten eine Änderung des alten Zustandes ab. 1581 versuchte die Regierung erneut, eine Gerichtsordnung in Kleve-Mark einzuführen. Die Verhandlungen mit den Landständen zogen sich bis 1611 hin ohne Erfolg; ein weiterer Entwurf wurde 1650 vorgelegt, aber auch er verfiel der Ablehnung durch die Städte, so daß praktisch das Land ohne staatliche Gerichtsordnung war, als in den Jahren 1739 und 1753 Preußens Könige endlich eine Neuordnung des Gerichtswesens durchsetzen konnten.

Das größte Interesse an einem gut und schnell funktionierenden Gerichtswesen hatte früher der Adel. Er war der Träger der Kultur, verfügte über die nun einmal zum Prozeßführen notwendigen Gelder und war auf einen schnellen Ablauf der Prozesse bedacht. Seinem Einflusse ist es wohl zuzuschreiben, wenn im Jahre 1550 im Amte Bochum eine Gerichtsordnung aufgestellt wurde, die in Anlehnung an die des Vestes Recklinghausen von 1544 eine Zusammenfassung der alten Formen des Rechtsganges mit den neuen, aus dem römischen Prozeß stammenden Verfahrensvorschriften darstellt. Der Verfasser der Bochumer Landgerichtsordnung ist nicht genannt; sie ist uns nur in einer Abschrift, die der Amtsrichter Hugenpoth im Jahre 1650 seinem von der Klever Regierung angeforderten Bericht über die Zustände im Amte Bochum am Ende des Dreißigjährigen Krieges beifügte, erhalten.

Man kann aber wohl als ihren Verfasser den damaligen amtierenden Amtsrichter Dierich Delscher, einen wohlhabenden Bochumer Bürger und Rentmeister, der 1524 an der Kölner Universität studiert hatte, ansehen. Er war von 1530 bis 1665 im Amte, sein gleichnamiger Vater stammte von dem Hof Delscher (später Harpenhof) im Bochum-Hamme.

Dieses interessante, b i s h e r e r h e i m a t l i c h e n G e s c h i c h t s f o r s c h u n g g a n z u n b e –

k a n n t e D o k u m e n t konnte natürlich nur unter stillschweigender Billigung der Regierung in Kraft gesetzt werden, die nach dem oben Gesagten froh sein mußte, wenn in einem Amte die Mißstände im Gerichtswesen durch eine Neuordnung beseitigt wurden. Sie zeigt das schriftliche Prozeßverfahren. Man zitiert den Gegner mit schriftlicher Ladung, übergibt dem Richter im Termin sein Klagelibell = Klageschrift, der Gegner antwortet mit der Replik (Einrede), worauf der Kläger mit der Duplik (Nachrede) erwidert. Sind genug Schriftsätze gewechselt, so wird nach Aufnahme der Beweise das Aktenstück geschlossen und ein vom Richter bestellter Urteilsweiser berät mit dem Umstande die Entscheidung, die der Richter dann verkündetet, denn er hatte nur die Leitung der Sitzung, das Urteil fällte die anwesende Gerichtsgemeinde, der sogenannte Umstand.

Neben den neuen Formen des schriftlichen Verfahrens ließ man den alten Gang des gerichtlichen Streites bestehen. Der Prozeß begann mit dem Zuschlag, dem “Toslag”, einer sehr alten Einrichtung des sächsischen und westfälischen Rechts, durch den der säumige Schuldner gezwungen werden sollte, entweder den Kläger zu befriedigen oder vor Gericht zu erscheinen. D e r Z u s c h l a g erfolgte durch den Fronen und bestand in einer Beschlagnahme des gegnerischen Besitzes. Der Gläubiger durfte durch diese mittel das Gut des unsicheren Schuldners “besetzen”, “bekummern” zum Zwecke der Sicherstellung seines Anspruches. Das geschah wohl ursprünglich durch Einschlagen eines Pfahles auf dem Besitztum des Gegners, der dadurch veranlaßt werden sollte, diese Behinderung durch Stellung hinreichender Bürgschaft oder Verpfändung seiner Habe vor dem Richter aufheben, also sein Gut “entsetzen” zu lassen.

Im Laufe der Zeit ging man wohl von dem wirklichen “Zuschlagen” des Gutes ab und begnügte sich mit dem im Gericht vom Fronen (oder in der Kirchspielskirche von ihm oder dem Küster) verkündeten Zuschlag, also der symbolischen Beschlagnahme des gegnerischen Besitzes. Den Zuschlag gab der Fronbote dem Gegner spätestens 4 Tage vor dem Gerichtstermin bekannt, mit der Aufforderung, den Gläubiger zu befriedigen oder am nächsten Gerichtstermin seinen Einwand vorzubringen. Der “besetzte” Schuldner konnte dann seinen Gläubiger befriedigen und die Beschlagnahme vom Richter aufheben lassen, oder er machte von seinem Recht Gebrauch, sich e r s t n a c h d r e i G e r i c h t s t a g e n zu verantworten. Erschien also der Gegner im ersten Termin nicht vor dem Richter, so mußte der Kläger ihn noch zweimal durch den Fronboten laden lassen. Kam er auch zum dritten Termin nicht, so übergab der Kläger seine schriftliche Klage dem Richter mit der Bitte, ihm aus dem beschlagnahmten Besitz des Gegners ein Pfand herauszugeben. Nachdem der Frone dieses Pfand weggenommen hatte, teilte der Richter in einer versiegelten Schrift dem Gegner die schriftliche Klage mit unter der Androhung, daß, wenn er zum vierten Termin nicht komme, das Pfand verkauft würde. Blieb der Gegner auch im vierten Termin ohne Entschuldigung (Notverschining – Nachweis echter Verhinderung am Erscheinen vor Gericht) aus, so durfte der Kläger das Pfand nach vorheriger Abschätzung verkaufen. Den Erlös hinterlegte er im nächsten Termin bei Gericht, worauf der Richter aus ihm die Geldbußen für Nichterscheinen und seine eigenen Gebühren entnahm. Den Restbetrag verrechnete der Kläger für seine Forderung. Hatte er auf Herausgabe eines Grundstücks geklagt, so ließ er sich in das Besitztum des Beklagten gerichtlich durch den Fronen einsetzen. Diese Besitznahme dauerte so lange, bis der Kläger zu seinem Anspruch gekommen war.

Mit diesem Zuschlag beschäftigt sich die Bochumer Gerichtsordnung in den Ziffern 1 bis 10. Er gehörte also zum Vorverfahren eines jeden Prozesses. Alles geschah, um dem Kläger zu seinem Recht zu verhelfen; weigerte sich der Gegner, dem Fronen Pfand zu geben, so verfiel er in eine Brüchte von 13 Mark; leugnete er dem Fronen gegenüber eine Schuld und wurde er später gerichtlich verurteilt, so hatte er dem Richter 1 Mark zu zahlen. Dieselbe Strafe hatte er zu zahlen, wenn er dem Fronen gelobt hatte, ein Pfand an das Gericht zu bringen und diesem Versprechen nicht nachkam.

Da der Beklagte erst zum vierten Termin zu erscheinen brauchte, nannte man diesen Tag den Pflichtgerichtstag. Erschien er, so mußte er einmal die Besetzung seiner Güter durch Anbietung von Bürgen oder anderen Pfänder aufheben lassen und sich zu dem Vorbringen des Klägers äußern mit den Worten: gelove oder nit gelove, d. h. er gelobe, die Forderung zu erfüllen oder er verweigere es (Ziff. 14). In letzterem Falle mußte der Kläger Beweis für seine Behauptungen vorbringen, wozu der Beklagte sich wieder äußern mußte. Was nicht zugestanden wurde, mußte bewiesen werden. Dazu war jeder Partei eine Frist von 14 Tagen und, wenn der Beweis durch Zeugen geführt werden mußte, von 6 Wochen gesetzt (Ziff. 19.). Damit nun nicht durch zu viel Eingaben das Verfahren in die Länge gezogen wurde, durfte jede Partei nur einmal erwidern (Ziff. 17.). Mußte die Partei durch Zeugen Beweis erbringen, so mußte sie diese auf einen besonderen Gerichtstag laden lassen und in einzelnen Artikeln genau angeben, worüber sie aussagen sollten. Im Termin wurden die Zeugen dann nach Vereidigung vom Richter zu Protokoll des Gerichtsschreibers zu jedem “Fragstück” einzeln verhört (Ger. Ordnung Ziff. 22-29). War die Sache dann zu einer Entscheidung reif, wurden die Akten “beschlossen”. Der Richter übergab einem U r t e i l s w e i s e r die Akten, der durch den U m s t a n d die Entscheidung fällen ließ (Ziff. 32). Diese konnte ja nach dem alten Rechtsbrauch nicht der Richter, der nur den Vorsitz führte, treffen, sondern Vertreter des Volkes: der sogenannte Umstand, der seinen Namen führte, weil er ursprünglich um die gehegte Gerichtsstätte herumstand. Er setzte sich nach der Bochumer Gerichtsordnung von 1514 aus Freunden oder Bekannte zusammen, die die beiden Parteien zur Entscheidung des Streites zuzogen. Sie hießen “Kornoten”- Kürgenossen, weil sie hierzu gewählt (gekürt) waren oder auch Standgenossen, und ihr Name wurde in der gerichtlichen Niederschrift des beurkundeten Vorgangs mit angeführt. Die Pflicht, den Streit zu entscheiden, wurde aber immer als Zwang empfunden. Bei schwierigen Rechtsfragen suchte sich auch der Umstand um die Entscheidung zu drücken, indem er erklärte, er sein nicht rechtskundig genug dazu. Wenn dieses der Umstand eidlich bekräftigte (Ziffer 33), so gab der Richter die Sache an den A m t s t a g, der aus der Ritterschaft (dem Adel) des Amtes und Vertretern der Bauern und der Städte Bochum und Wattenscheid sich zusammensetzte und zweimal im Jahre zur Entscheidung von gerichtlich anhängigen Streitigkeiten zusammentrat (Ziff. 335-42). Am Donnerstag nach dem Sonntag Quasimodo geniti und am Donnerstag nach dem St. Martinstag, also im Frühjahr und Herbst, trafen sich die Vertreter morgens um 8 Uhr in der Kirche in Bochum zur Messe und begaben sich von dort auf das Rathaus, um mit dem Amtmann und Richter zusammen die Prozesse, deren Sachverhalt ihnen vom Gerichtsschreiber aus den Akten vorgetragen wurde, zu entscheiden. Die getroffene Entscheidung wurde in das Urteilsbuch eingetragen und am nächsten Termin den Parteien vorgelesen. Wer mit diesem Urteil nicht zufrieden war, hatte das Recht, an die Landfeste von Lüdenscheid Berufung einzulegen, wenn die Hauptforderung mehr als 25 Gulden wert war (Ziff. 43). Gegen ihre Entscheidung konnte man a n d a s G e-

r i c h t i n D o r t m u n d appellieren, später fiel diese Instanz weg und die weitere Berufung ging an das neueingerichtete Hofgericht in Kleve. Von dort gab es dann noch in den wichtigsten Sachen bei Vorliegen der Revisionssumme die R e v i s i o n an das 1495 eingerichtete R e i c h s k a m m e r g e r i c h t. Da dieses nach “gemeinem Recht” d. h. dem corpus juris civilis entschied, kämpfte der märkische Adel jahrelang mit der Regierung gegen diese Instanz, wie er sich auch gegen das Eindringen der “gelehrten Doktoren” in die höheren Ämter wandte und 1528 der Regierung sogar eine Fehde androhte (Schultze a. a. O. S. 292).

Außer diesem ordentlichen Verfahren gab es noch ein sogenanntes N o t g e r i c h t , ein Schnellverfahren zugunsten einer Partei, die an Ort und Stelle oder bei alten oder kranken oder reisefertigen Personen oder auf Verlangen des Amtmannes sich einen Beweis oder eine Aussage sichern wollte (Ziff. 52 ff). Schließlich setzte die neue Bochumer Gerichtsordnung fest, daß zwei V o r s p r e c h e r (Rechtsanwälte, Procuratoren) die Parteien vor Gericht vertreten durften und ihre Rechte wahrnehmen mußten bis zur Beendigung der Instanz (Ziff. 55 ff).

Den Einfluß des Adels auf die Rechtsprechung zeigt die Ziffer 35 mit den Worten : “weil nun bei den Gerichten Bochum und Wattenscheid eine gute Anzahl von adligen, bürgerlichen und bäuerlichen Personen vorhanden sind, denen nach löblichem alten Herkommen das Landgericht zu bedienen und Recht zu sprechen gebührt, ihnen aber dieses Amt auszuüben ungelegen erscheint, woraus allerlei Mängel und auch Beschwer der Parteien entstanden sind, denen das Gericht zur Durchsetzung ihrer Forderungen fehlt, und damit niemand sich deshalb beim Landesfürsten zu beschweren braucht, so hat die gesamte Ritterschaft hiermit angeordnet, daß hinfort jährlich zwei Amtstage in Bochum abgehalten werden, an denen alle gerichtlichen Streitigkeiten von ihnen und den dazu abgeordneten Vertretern der Landschaft (Bürger und Bauern) endlich entschieden sollen werden.” Zweifellos handelte es sich bei diesem Plan, von einem Amtstag Recht sprechen zu lassen, um einen Notbehelf, aber man mußte ihn beschreiten, weil offenbar der alte Umstand mehrfach versagt hatte. Mit der Zunahme der Geldwirtschaft, von Handel und Wandel waren auch die Prozesse vor den ländlichen Gerichten schwieriger geworden, da war es schon besser, wenn hier ein Ausschuß aus den gebildetsten und geschicktesten Leuten des Amtes eine Entscheidung fällte, wo der Umstand sich geweigert hatte, Recht zu sprechen. Ähnlich hatte im Vest Recklinghausen die Ritterschaft zusammen mit Bürgermeister und Rat der Stadt Recklinghausen am Landgericht Recklinghausen die Entscheidung der Prozesse nach der Verstischen Prozeßordnung von 1544.

Die Bochumer Landgerichtsordnung von 1550 blieb über 100 Jahre gültig. Nach dem Übergang von Kleve-Mark an Brandenburg ließ die neue Regierung das alte Verfahren bestehen. Während des Dreißigjährigen Krieges, als es nicht möglich war, die regelmäßigen Amtstage abzuhalten, behalf man sich damit, daß Richter und Amtmann zusammen Recht sprachen.” Zeitweis kam alles schier in Unordnung, Zerrüttung und Abgang” berichtete 1650 der damalige Richter Hermann Hugenpoth an die Regierung in Kleve. Er fügte diesem Bericht eine Ü b e r –

s i c h t ü b e r d e n d a m a l i g e n G a n g d e r P r o z e s s e b e i , die unten in der Anlage 3 abgedruckt ist. Das Verfahren hatte sich allmählich dem gemeinrechtlichen angenähert. Man unterschied jetzt zwischen ordentlichen und außerordentlichen Verfahren. Zu letzterem rechneten alle Klagen um Schaden und Schuld, also alle Forderungssachen. In diesen Sachen konnte auch außerhalb der alle 14 Tage stattfindenden G e-

r i c h t s s i t z u n g e n , die durch G l o c k e n g e l ä u t angekündigt wurden, Recht gesprochen werden. Es kam häufig vor, daß eine Partei – namentlich eine adlige – sich an den Herzog in Kleve mit der Bitte um Vermittlung wandte. In diesem Falle wurde dann als Spezialkommissar der Droste zur Herbeiführung eines Vergleichs zwischen den streitenden Parteien bestimmt. Kam es dann nicht zu einem Übereinkommen, so durfte zwar der Droste die Verhandlungen vom Gerichtsschreiber protokollieren lassen, die weitere Behandlung des Streites mußte er aber dem Richter überlassen.

Der ordentliche Prozeßgang unterschied sich nicht viel vom alten Verfahren. Wie früher brauchte der Angeklagte sich erst im vierten Termin zur Sache zu äußern, jedoch wurde in letzter Zeit dahin gestrebt, daß die drei ersten Ladungen zu einer einzigen zusammengezogen wurden und so die Ladung zum ersten, zweiten und dritten Male in einer Ladung geschah. Das Vorverfahren des Zuschlags durch den Fronen war abgeschafft. War Gegenstand der Klage eine S c h u l d f o r d e r u n g , so bat der Kläger im außerordentlichen Verfahren im ersten Termin um Verkauf eines Pfandes zwecks seiner Befriedigung aus dem Erlös. Der Richter gab dann dem Beklagten, wenn dieser keinen Einwand vorbrachte, die Frist zweier Termine (= vier Wochen) zur Bezahlung der Schuld. Im dritten Termin wurde dann, wenn bis dahin der Schuldner seine Schuld nicht beglichen hatte, zum “Umschlag” des Pfandes geschritten. Der Kläger ließ dann durch den Fronen pfänden und das Pfand abschätzen. War eine bewegliche Sache (meistens Vieh), die drei Nächte im Pfandstall aufbewahrt wurde, gepfändet worden, so wurde sie nach Abschätzung noch drei Nächte im Pfandstall aufbewahrt, und dann, wenn der Beklagte sie auch jetzt noch nicht einlöste, zum Schätzungswert vom Kläger übernommen in Anrechnung auf seine eingeklagte Forderung. Diese sechs Nächte hießen seit alten Zeiten die Wehrnächte. War ein Grundstück als Pfand vom Fronen beschlagnahmt worden, so erfolgte in einem Executionstermin (Sohlgericht) die Abschätzung und dann bei Nichtzahlung die Einweisung des Klägers in das Grundstück (meistens ein gepfändetes Ackerstück).

Hatte der Beklagte Einwendungen vorzubringen, wurde die Sache also streitig, so wurde in weiteren Terminen mit Aufnahme der angebotenen Beweise die Sache bis zur Entscheidung weiterbetrieben. Die eigentliche Entscheidung erging dann auf dem oben besprochenen Amtstag durch Ritterschaft und Vertreter der Kirchspieleingesessenen, nachdem der Richter den Sachverhalt nach den Prozeßakten vorgetragen hatte. War dem Amtstag die Angelegenheit zu schwierig, um ein richtiges Urteil zu fällen, so konnte ein u n p a r t e i - i s c h e r R e c h t s g e l e h r t e r um die Entscheidung gebeten werden. Dann wurden die Akten in Gegenwart der Parteien gebündelt und versiegelt und an eine juristisch vorgebildete Person gesandt. Meistens war die ein auswärts wohnhafter Advokat, dessen Name den Parteien verschwiegen wurde. Er gab dann sein Urteil schriftlich ab. Wurde noch eine Begründung der Entscheidung verlangt, was für die Berufung gegen sie wichtig war, so war für diese Begründung (declaratio sententiae und rationes decidendi) eine besondere Gebühr (sportulae) zu zahlen.

Die Gerichtsordnung von 1550 regelte nur das Verfahren in Z i v i l s a c h e n . In den eigentlichen S t r a f –

s a c h e n war im Jahre 1532 von Reichswegen die P e i n l i c h e H a l s g e r i c h t s o r d n u n g K a r l s V. eingeführt worden. Das “Kapitalsgericht” oder “Halsgericht”, wie man dieses Gericht zur Aburteilung der schwersten Verbrechen nannte, setzte sich aus dem Richter und sieben Schöffen zusammen. Im Amte Bochum nahm man zu diesen Schöffen sieben Freibauern, wohl in Erinnerung an die Zeiten der Feme, in denen zur Aufrechterhaltung des Landfriedens diese freien Schöffen mit ihrem Freigrafen die schwersten Straftaten abgeurteilt und für Ruhe und Ordnung in ihrem Bezirk gesorgt hatten.

Die peinliche Halsgerichtsordnung baute ihr Verfahren noch auf die Klage des Verletzten bzw. der Sippe des Getöteten auf. Gegen den Verbrecher wurde von dem Kläger eine Strafe an “Hals und Hand” vom Gericht verlangt. Aber bald wurde die öffentliche Klage durch einen Beauftragten des Staates, den Anwalt oder procurator fisci, die Regel. Das Gericht trat nur zur Aburteilung der allerschwersten Straftaten, die man Leibbrüchten nannte, zusammen, zu diesem gehörte damals Mord, Raub, schwerer Diebstahl, Kirchen- und Frauenschändung, Meineid, Zauberei. Wie im Zivilprozeß der Richter bis ins 18. Jahrhundert nach altem sächsischen Recht, was auch im Amt Bochum galt, nur Verhandlungsführer war, so wurde er im Gegensatz zur Halsgerichtsordnung auch im Kapitalgericht nicht zur Entscheidung über Schuld und Strafe herangezogen, hierüber entschieden die sieben Freischöffen allein.

Alle nicht peinlichen Vergehen wurden von einem anderen Gericht, dem B r ü c h t e n d i n g , mit Geldbußen (Brüchten ) geahndet. Da die Beurteilung einer Tat als peinliche oder nicht schwankte, mußten alle Straftaten, die durch den Amtsfronen gemeldet und zur Kenntnis des Drosten oder Richters gekommen waren, an die Regierung in Kleve berichtet und ihre Entscheidung abgewartet werden. Am Ausgang des Mittelalters gab es kein Delikt mehr, für das die nach alter Überlieferung angesetzte Strafen an Hals und Hand nicht mit Geld abzukaufen gewesen wären, wenn der Täter nur zu zahlen imstande war. Im Wege der Gnade wurden so häufig schwere Verbrechen mit einer Geldbuße gesühnt. Von dem alltäglichen Vergehen gehörten alle polizeilichen Übertretungen, Schlägereien, Beleidigungen, kleine Diebstähle und Eigentumsdelikte vor das Brüchtending. Auch fahrlässige Tötung wurde mit einer Brüchtenstrafe belegt, während Totschlag im Raufhandel häufig im Wege der sogenannten Totschlagsühne vom Herzog mit einer “Afdracht an Geld” geahndet wurde, wenn der Täter sich mit der Sippe des Getöteten geeinigt hatte. Verstöße gegen ein Verbot oder die öffentliche Sicherheit durch Eigenmächtigkeit (Gewalt), wurden im Wege der Gewaltbrüchte geahndet. Diese betrug 5 Mark.

Das Brüchtending war eine Art Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die zur Kenntnis des Richters gelangten Straftaten wurden in ein Verzeichnis eingetragen. Dann wurde der Täter vor den Richter geladen; wenn dieser ihn schuldig sprach, so setzte im “Brüchtending” der Amtmann die Höhe der Brüchte fest. Das nannte man das “Schlichten der Brüchte”, die vom Richter beigetrieben und an den staatlichen Rentmeister abgeliefert wurde. Den zehnten Teil der Brüchten erhielt der Amtmann, wie es ihm seit dem 14. Jahrhundert in seinen Anstellungsurkunden verbrieft worden war.

Als der Herzog Ende des 15. Jahrhunderts den Landschreiber, den später der Fiskalanwalt ablöste, als den Vertreter der staatlichen Belange einführte, beteiligte dieser sich bei der Festsetzung der Brüchten, indem er von Zeit zu Zeit das ganze Land bereiste und dabei die Brüchten mit dem Drosten und Richter “schlichtete”. Dieser märkische Anwalt spürte im 17. Jahrhundert auch die peinlichen Verbrechensfälle auf, er war damals gewöhnlich ein Advokat, der im Nebenberuf als Fiskalanwalt tätig war und dafür einen Prozentsatz der verhängten Brüchten bezog. Das Brüchtending wurde 1719 abgeschafft und die Straffälle dem ordentlichen Richter überwiesen. Er setzte die Brüchte fest, die Regierung in Kleve behielt sich die Prüfung der Höhe der Strafe vor.

Die mildeste peinliche Strafe war im 17. Jahrhundert das Stehen am P r a n g e r , der auf dem Markplatz in Bochum aufgestellt war. Der Delinquent wurde aus dem Kerker im staatlichen Renteigebäude auf der Rosenstraße (Ecke Bleichstraße) durch den Gerichtsfronen an den Pranger geführt, an diesem gefesselt aufgestellt und so der allgemeinen Verachtung preisgegeben. Dann mußte er “Urfehde” schwören, daß er sich nicht für seine Bestrafung an den Gerichtspersonen rächen werde. Von der Verhängung einer Gefängnisstrafe machte man damals kaum Gebrauch; die Untersuchungshaft wurde dagegen bei Ergreifung des Täters auf frischer Tat häufig verhängt, es standen dafür zwei Kerkerräume mit einer Verhörstube auf der Rentei zu Verfügung. Der Täter blieb aber meistens nicht lange in Haft, wenn sich Freund für ihn verbürgten.

Im späten Mittelalter hatte neben dem ländlichen Gericht des Amtes Bochum das G e r i c h t d e s F r e i –

G r a f e n bestanden. Es setzte sich aus dem Freigrafen und sieben freien Schöffen zusammen. Unter seine Zuständigkeit fiel die Auflassung von Freigut, das unter dem Schutz des Königs stand; diese Auflassung wurde mit dem Königsbann bestärkt. Auch schwere Straftaten – Verstöße gegen den Königsfrieden, also gegen die öffentliche Sicherheit – wurden von diesem Freigericht, das im 13. Jahrhundert auch den Namen “veme” führte, abgeurteilt. Im 14. Jahrhundert nahm die Feme im Zuge der Bestrebungen, die ewigen Fehden des Adels einzudämmen und die allgemeine Sicherheit zu gewährleisten, einen großen Aufschwung und urteilte schließlich auch über zivile Forderungen namentlich in Fällen, in denen sich der Beklagte beharrlich weigerte, vor Gericht zu erscheinen. Die Hauptblüte dieser Freigerichte, die immer mehr ihren Zusammenhang mit dem Reiche und der kaiserlichen Gewalt betonten, war unter dem Kaiser Sigismund (1410-37). Da diese Gerichte aber häufig ihre Kompetenz überschritten, wurden ihre Tätigkeit von Reichswegen immer mehr eingeengt. Ende des 15. Jahrhunderts war ihr großes Ansehen, das sie namentlich im süddeutschen Raume erlangt hatten, geschwunden und “eine der größten Massensuggestionen, die das Mittelalter erlebte” – so nannte der Rechtshistoriker Fehr das Wirken der Femgerichte (Fehr: Deutsche Rechtsgeschichte 1925, S.169) – ging zu Ende.

 

Das Freigericht Bochum, hervorgegangen aus der alten Grafschaft, unterstand seit dem 12. Jahrhundert den Grafen von Altena und von der Mark. Im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen der märkischen und limburger Linie wurde ein Teil der Bochumer Freigrafschaft an die Limburger Grafen auf Schloß Hohenlimburg abgetreten und hieß von da ab “die krumme Grafschaft” (krumm in Sinne von neben, sie war die Nebengrafschaft der größeren Hohenlimburger Grafschaft). Sie umfaßte vom Gebiet des Amtes Bochum die Bauernschaften Langendreer, Düren, Stockum, Oespel mit den darin gelegenen Freigütern. Als dingstätten (Freistühlen) werden urkundlich Langendreer und Oespel genannt. Größter war die Zahl der Freistühle in der Freigrafschaft Bochum, wo auf den Freistühlen von Wattenscheid, Bochum, Castrop, Kirchlinde, Westrich, Lütgendortmund, Uemmingen und Hattingen Gerichtsverhandlungen nachweisbar sind. Aus allen Teilen Deutschlands und aus den angrenzenden Ländern wurden im 15. Jahrhundert diese F e m g e r i c h t e zur Durchsetzung ziviler Forderungen im Falle hartnäckiger Weigerung des Beklagten, vor Gericht zu erscheinen, angegangen. So wurde am 17.10.1458 ein Bürger von Basel von seinem in St. Johann wohnhaften Gegner vor den Freistuhl in Lütgendortmund durch den Bochumer Freigrafen Johann Hackenberg mit der Aufforderung geladen, innerhalb 14 Tagen seinem Gegner Genugtuung zu verschaffen oder sich am 9.1.1459 vor dem Freigericht in Lütgendortmund zu rechtfertigen. Die letzte Femgerichtsverhandlung aus der Bochumer Freigrafschaft ist vom Wattenscheider Stuhl überliefert, wo der Freigraf Johann Ridder “ein richter und gehuldet vrygreve des hilgen romschen rykes und des kaiserlich vryen stoils” am 11.11.1503 zwei Beklagte für fried- und rechtlos erklärte. Als Freischöffen werden zwölf Personen genannt, zwei davon waren Adlige, die anderen Bürger von Wattenscheid und Bauern; als Freifrone fungierte Johann Grünnigfeld, der Besitzer eines Freigutes, dessen Inhaber im 15. Jahrhundert wiederholt als Freischöffen in Urkunden auftreten. Der letzte Freigraf war der 1516 ernannte Freigraf Joh. Bremer. Nach seiner Zeit hörte die Tätigkeit des Bochumer Freigrafen auf.

Länger hielt sich die krumme Freigrafschaft mit ihren Stühlen in Oespel und Langendreer. Sie behielt als Limburger Reservat ihre beurkundete und auch die entscheidende Tätigkeit über die Freigüter ihres Gebietes noch Mitte des 16. Jahrhunderts bei, wie ein Bericht des Bochumer Richters Dierich Delscher von August 1553 zeigt: “die von Batenburg (-Bronckhorst) als Erben des verstorbenen Dietrich von Wickede und die von Büren zu Huckarde haben zusammen zwei Freistuhlgerichte zu Oespel und Langendreer , welche die krumme Grafschaft genannt werden. Die Güter und Leute, die dazu gehören, sind dienstfrei und wollen, daß die Güter an den Freistuhlgerichten allein dienstpflichtig sollen sein, was man ihnen in Erbfällen und wenn Streit um Erbnis besteht, bisher gestattet hat. Aber um Schaden und Schuld sind sie dem Hochgericht Bochum unterworfen. Es ist auch alter Brauch, daß, wenn jemand bezüglich seines Freigutes kein Recht bekommt, er seine Sache am Hochgericht Bochum weiter betreiben kann”). 1566 wird diese krumme Grafschaft noch einmal urkundlich genannt, dann wird wohl auch ihre Tätigkeit zu Ende gewesen sein. In seinem unten abgedruckten Bericht von 1655 über die Observanz im Bochumer Landgericht erwähnt der Richter Hugenpoth, daß die sieben Freien zur Bildung des Hals- oder Kriminalgerichts herangezogen würden und diese auch noch einmal im Jahre bei der Versammlung aller Gerichtseingesessenen, der sogenannten Vollfeste, “des ampt veste und gerechtigkeit” proklamierten, also die alten Rechtssätze des Bochumer Land- oder Stoppelrechts verlasen.

Die letzte Kunde über die alten Freigutbesitzer entnehmen wir dem Landesgrundbuch des Oberamtes Bochum vom Jahre 1686, wo es bei dem Hof Baak in Werne heißt: “ist der sieben Freien einer, gibt dem Kurfürsten jährlich einen Dukaten und Dienste, so oft er dazu geboten wird, muß jährlichs den Sonntag vor St. Margareta zur Publikation des Landrechts eine Kanne Win neben anderen Freien helfen zahlen.” In der Abgabe des Dukaten steckt der uralte, ehemals an den König zu leistende Königszins und die in Geld abgelöste Befreiung von der alten Verpflichtung zur Beherbergung des Landesherren auf seinen Reisen. Die Notiz beweist ferner, daß noch damals die alte Vollfeste jährlich einmal tagte, wobei die Freien dem Amtmanne als Leiter der Tagung eine Kanne Wein spendierten.

Der Bezirk des Bochumer Landgerichts wurde im 17. Jahrhundert mehrfach durch Errichtung adliger Gerichte verkleinert. So erhielt 1611 Johann von der Borch auf Haus Langendreer die Gerichtsbarkeit über das Dorf Langendreer und 1647 noch dazu die Gerichtsbarkeit über die Bauernschaften Werne, Stockum, Somborn und Düren. 1645 wurde an Konrad von Strünkede “die Jurisdiktion und Halsgericht”, wie es seine Vorfahren (bis 1478) “possediert hatten”, vom Großen Kurfürsten verliehen, sein Gericht Strünkede umfaßte Herne, Baukau, Hiltrop, Horsthausen und Pöppinghausen. Im Jahre 1665 wurde dieses Privileg aber auf die Gerichtsbarkeit über seine hörigen Bauern und Eigengüter beschränkt. 1650 gab der Kurfürst dem Besitzer von Haus Grimberg, der wegen Überschwemmungen des Rheins im Klevischen Land verloren hatte als Entschädigung die Gerichtsbarkeit über die Bauernschaften Braubauerschaft, Hüllen und seine in Bickern und Eickel gelegenen Güter. Am 1.3.1690 erhielt der Freiherr Konrad von Strünkede auf Haus Dorneburg in Eickel, Bickern, Holsterhausen und Röhlinghausen. Alle diese Gerichte übten die Gerichtsbarkeit durch eigene Richter aus, es waren meisten Bochumer Rechtsanwälte, die nebenberuflich hier Recht sprachen. Diese kleinen Jurisidiktionsbezirke haben bis 1807 bestanden, wo sie durch die von Napoleon eingeführte französische Prozeß-

Ordnung beseitigt wurden. Aus dem vielgestaltigen Rechtsleben der beiden Jahrhunderte konnte nur ein kleiner Ausschnitt: die Entwicklung des Prozeßganges unter dem Einfluß des römischen Rechtes näher erläutert werden. Der althergebrachte Rechtsgang hielt sich lange Zeit und wurde erst allmählich durch Aufbau eines Instanzenzuges und Abbau der Beteiligung des Volkes an der Rechtssprechung geändert. Die Entwicklung ging dahin, den Richter allein den Prozeß entscheiden zu lassen. Das setzte aber voraus, daß er genügende Rechtskenntnisse besaß. Im 17. Jahrhundert waren in Bochum als Amtsrichter nacheinander tätig: Johann Bergmann, Matthias Daniels, Hermann Hugenpoth, Dr. jur. Gerhard Willebrand Kumpsthoff und Dr. jur. Lennich (sein Schwiegersohn). Die beiden letztgenannten waren die ersten Richter mit abgeschlossener Universitätsbildung. Unter ihrer Tätigkeit nahm die Befragung des Amtstages als prozeßentscheidende Funktion ein Ende. Der Richter urteilte jetzt allein die Sache ab oder ließ sie durch einen unparteiischen Rechtsgelehrten entscheiden. Materiell wurde im Zivilprozeß noch lange nach den althergebrachten Rechtssätzen und dem altsächsischen Rechtsbuch des Sachsenspiegels Recht gesprochen, bis auch hier das “gemeine Recht” des corpus juris civilis zur Anwendung kam.

 

Anlage 1

St. A. Düsseldorf Kleve-Mark X Nr. 72 Bd. 3

Bericht des Richters Hermann Hugenpoth über das Gericht des Amtes Bochum gemäß dem ihm auferlegten Berichtsauftrag der Klever Regierung.

Hochedelgebohrener Graff, gnediger Herr auch

Hochedelgebohrener gestrenger geneigter

Hochgeehrter Herr.

 

Alß Ew. Hochgräfl. Excell. Und Ew. Hochld. Gestr. Genediges und geneigtes Anschreiben vom dato Cleve des 18. Martij negsthin mir am 7. Dieses erst eingehändiget worden, so thue demselbigen folgendes gestalt hieby pflichtmäßige und unterthänige einfolge.

Zum ersten (Gerichtswesen im allgemeinen) gehet hiebey Lit. A die erforderte Gerichtsordnung, wie sie von alters her an diesem appellationsgericht und amptsgericht auch noch biß ins jahr 1622 bey meiner ersten bedienung gutenteils unterhalten worden ist, wiewohl hernacher als Pfaltz-Newburg diese lande gewalttätig occupiert und ich von demselbigen bis ins jahr 1629 verstoßen gewesen und dadurch verursachter veränderung der regierungen darauf erfolgte schwere kriegszeiten und von der regierung gnedigster aufgelassene commissiones alles schier in unordnung, zerrüttung und abgang geraten und gekommen ist.

Zum zweiten (Brüchtenwesen und Dienste) die brüchten dieser landt- und policeyordnung betreffend hat man sich bey meiner zeit allermahl der bergischen ordnung, wie dieselbe von weiland herzog Wilhelm von Cleve, Jülihc und Berge in offenem drucke herausgegeben, gebräucht.

Darüber sind zum dritten meines wissens wie auch bei exercierung der jurisdictionen und anderer geistl. und weltlicher gerechtigkeiten, welche die ritterbürtigen und stedde entweder zuvor gehabt haben oder von seyner churf. durchlcht. bekommen, keine sonderliche mißprauch und differentien eingewiesen.

Wie zum vierten (Privilegien) alle Verordnungen zu remdieren ( = verbessern) seyen, solches stünde zu S. Churfst. Durchl. und Ew. Hochgräfl. Excell. und Ew. hoched. gestr. mehreren gnedigsten gnedigen und geneigten einsehen meiner unterthänigsten und gehorsamen meinungen, wan dem appellation- und amptsgericht seine gebührende vigor und kraft dem alten herkommen gemäß restituiert, alle vorgenohmenen thätlichkeiten und eingeführte novationes abgestellet, deren beampten anwacksender authorität sichere maßen und ziel geben und das den provocationibus ad ordinarium einfolgen müßte aufgeben würde, so würde Sr. Churfstl. Durchl. unseres gnedigsten herren chur- und fürstliche authorität und hoheit beßer conserviert und beobachtet, die justitia männiglich beßer angedienet und ein jeder bey seinen gerechtigkeiten beßer gehandhabt werden können.

Wobey auch dieses in unterthänig gehorsamen vorschlag bringe, ob wohl zu denen alten zeiten, da der grafschaft Mark und Cleve noch nicht ahneinander vereiniget waren, von damaliger herrschaft zu der unterthänigen trost und erquickung verordnet worden, daß die appellation von hiesigem ampts- und appellatiosgericht ahn das hochgrävengericht Lüdenschede ad effectum tantum revisionais aut consultationis appelliert worden, wo von dannen dan die appellation an das gräffliche hoffgericht und die sache also zum ende gelaufen sein mag. Weil dannoch gutenteils introduciert worden, daß von diesem ampts- und appellationsgericht alsbald an das hochlöbliche hoffgericht zu Cleve appelliert wird, hingen so vornehme und zahlbare adel wan er selbst darinnen gesprochen oder wie gemeinlich geschehen durch unparteiische darinnen erkennen lassen, daß solches zu Lüdenscheide eben wieder durch die Heckel gezogen werden solle, der appellation auch zu des ampts und der eingessenen höchsten nachtheil und schaden dorthin viel kostbarer als ans clevesche churfstl. hofgericht auch männiglich ohnegezweifelt gute justitia administriret wird werden, und wie es die erfahrung gibt, jenes mehr zum lauteren aufenthalt der parteien und sachen an geschegen ist und also auch dieses gerichts immediate untergehörige annoch tertia instantia am kaiserlichen kammergericht übrig ist. Ob sr. churfstl. durchlcht. unserem gnedigsten herrn nicht gnedigst gefallen mögte, daß unnotige appellation von hinnen auf Lüdenscheidt abgeschafft und die appellationes auf Cleve immediates verwiesen werden mögten, wodurch sicherlich seiner churfstl. durchlcht. unseres gnedigen herrn landfürstl. authorität und hoheith mercklich unterstützet, die heilsame justitia besser befördert, die gelegenheit der streitigkeiten abgeschnitten und alles und jedes unter gehöriger bestes und nutzen mercklich würde fortgesetzt werden.

Zu dem fünften (Gottesdienst), ob auch bei den einwöhnern des gerichtsamptes der gottesdienst von predigern und zuhörern gebührlich berichtet werde, weiß mich nicht zu erinnern, daß der gleichen vorgefallen, außerhalb daß der pastor zu Langendreer Wennemarus Christiani sich einige zeit unterfangen, wovon herrn drost, anwalt und ich bereits particulariter berichtet haben und ferner berichten werde, ohne ist woll nicht, daß der zeitliche pastor alhier Augustinus Camerarius sihc fast betaurlich beklaget, daß ihm von dem pastor zu Eickel und anderen sichere zu seiner pastorath gehörige renthen gemeinlich meßhaber genannt, entzogen werde, weilen aber vernehme, daß unter praetext churfstl. gnedigster befehle geschehe, so muß es meinem geringen orts dahin gestellt sein lassen, wiewoll pflichtmäßig berichten kann, daß es eine novation sey und diese renten vorhin allezeit zu der pastorath bochumb gehörig gewesen.

Was den 6. und 7. Post (Sünden und Laster) anbetrifft, gehören dieselbe eygentlich zu des herrn anwalts seinen lasten, mit welchen der herr drost und ich noch im october negsthin ein brüchtengeding gehalten und das protocollum davon unterthänigst eingeschickt haben.

Zum 8. und 9. (Landmatrikel und Abgaben): soviel die contributionen, matriculen, restantzettel, beschwerden und andere davon dependierende posten anbetrifft, weil zeither anno 1630 wenig oder garnichts darzu gezogen worden, so kann auch davon nichts berichten und wird der herr drost alhier deswegen satisfaction thun können.

So weiß auch zum 10. (Grenzsachen und Jagden) nicht zu berichten, daß ein- oder ausländische benachbarte dem ampte oder den untertanen an den grentzen, jacht, holtzungh, berg- und hohlbergwercken oder sonst ihr guts anders worin eindracht thun oder schaden zufügen, nur daß vielleicht die landwehre dieses amptes verschmählert, so durch eine visitation zu remedieren seyn. insonderheit aber gnedige erklärung erwarte über dem, daß newlichster zeit unterm angegebenem indult und concession eines ernewerten voigtsbriefes die fraw abtissin zu Essen anmaßlich über ihre im ampte gelegenen güter und höffe anmaßliche convocationes und sohlgerichte unversuchte hiesigen gerichts durch ihre von Essen hierhin abgefertigte rath und bediente zu gefehrlicher präjuditz abhalten lassen, der ich mich keines mehrer rechts über wolg. fraw abtissin güter erinnere als das durch ihre hoffrone zwar pfandungh thun möge, aber aestimation und distractionem bey hiesigem gericht jedesmal gesuchet. beiseits der hesseler bauernschaft über einige verschmählerung der grentzen geclaget, darüber ist bereits herr drost, mir und rentmeister zu Essen commission aufgetragen, welche nun verrichtet wird. ebenso maßet sich der von Rump zum Krange einige exemption an, in den auf gewisse tage in der umb sein haus wohnenden leute keine execution noch judicialcitirung außer specialbefehl gestatten will.

Wie ich dann auch zum 11. (besondere Abgaben) nicht vernohmen, daß einige untertanen von dem herrn drosten und anderen bedienten wider altes herkommen sey beschwert worden. Bergwercke hat es zum 12. in diesem ampte nicht außerhalb wenige kohlberge, von welchen ich verstehe, daß sr. churfstl. durchlcht. unser gnedigster herr den zehnten pfennig genieße, darüber seind aber besondere directores und receptores anbestellt, welche von dem statu besser als ich berichten können.

Und der zum 13. (besondere Beschwerden) bey diesen unordentlichen kriegerischen jahren einige verhinderung der heilsamster justitia vorgefallen verhoffe ich daß jetzt angehende friede und vorhandene genaue gerichtsordnung werde dieses genugsamb außer dem Wege reumen und habe es meiner pflichtmäßigkeith nach diesmal unterthänig schuldig hinterpringen und berichten zugleich ew. hochgräffl. excell. und gestr. herligk. der göttlich gewalt getrawlichst dero gunst und gnade mich ergebendt befehl soll und wollen verbleibende

ew. hochfraffl. excell.

auch

hochedel gestr. herrl.

untertänig verpflichteter diener

Hermann Hugenpoth

Bochum, am 19. April 1650

Dem hochgepohrenen Graffen und Herren Herrn Johan Mauritzen Graffen zu Nassaw, Catzenehlenbogen, Vianden, Dietz, Churfstl. Brandenburg. Drlt in dero Clevischen Fürstenthumb und Graffschafft Marck hochansehentlich Statthaltern wie auch dem hochedelgepohrenen gestrengen Herrn Philipsen von Horn höchstged. churfstl. drchl. Geheimpter Rath und Commissario pp Meinen gnedigen geneigten hochpietenden Herren in Cleve.

 

Anlage 2

St. A. Düsseldorf Kleve-Mark X 72 Bd. 3 Bl 23-30

 

Gerichtsordnungh deß Ambts Bochumb

(von 1550).

 

1. so sich jemandt eigenthumbs, forderungh off recht ahn ein oder mehr liggende of bewegliche güter beromt und gerichtlichen darumb to processen willens, der sall das oder dieselve güter in der kirspels kirchen, dair das gutt gelegen, op enen gemeinen festtag in der kercken oder sunst am sittenden gemeinen landtgericht, wie von aldes gewöhnlich, durch den fronen oder den coster thoe schlagen laten.

2. die cöster sah ahn das negste gerichte kommen und beschehne toeschlag bekennen im falle hie und niet der frohne oen gedain.

3. den toschlag sall der richter dem gegendeile, so der ein vom adel wer, und buten dem gerichte und ambte gesetten, vierthein dage vor dem gerichte under sines des richters segell vermitz der frohnen oder einen geschworenen boeden ahn sine eigene person oder plagliche wohnung schriftlich verwytig des ungefehrlichen einhalts: daß N. sollich guett oder guidere namentlichen N. N. over die kerke oder gerichte hebbe thoe schlagen laten und sie darop an den negsten und den anderen folgenden gerichtsdagh (den gerichtsplatz, dar das gut dinckpflichtig noemen) mit rechte to procederen und toe verfolgen gemeint , welches heim off hie mit dargegen toe sprecken willens also verkundigt werde etc. des ambts und gerichts eingesetene over acht dage vor dem gericht gelicker vorigen gestalt und meinung.

4. so nun der inhabbere des toegeschlagenen guts oder gegenteil ein binnen gerichts gemeiner unterthan were, sall der frohne stils dem ahn sine person oder behausungh veer dagen vor dem gerichte anseggen und verkün-den. dan so der ein utheimischer bürger oder gemeines standes wehr, sall der richter denselvigen acht tage vor dem gerichte unter sines des richters segell off pitzer in vorgem. maten schriftlich vorwittigen.

5. im fall, das clegers vorhebben, gein besonder guit oder erve dan sonst ein ander pesonal forderungh, klage oder irrthumb treffende, sollen des gegendeils guider indeß gemein togesschlagen werden und met der wettung wo gerührt allenthalven fortgefahren werden, doch daß also dar in der wette (Mitteilung) ein personalcitirung mede ingestalt, und der nit vom adel und binnen gerichts gesetten, neffen anzeigunghe des toeschlages verbodet und ahne gerichte geheschet werde.

6. die gegendeil magh die twe ersten gerichte und verfolge aen sonderlingen mangel off schaden, doch dem gericht syns alt herkommen und verfals darmede unbenohmen beschehn laten. dan so hie dem derden gerichte sich oder sin gut nit understehet to verantworden, soll die cleger sin clage darumb hie den toeschlagh und anboedungh doen laiten, schriftlich ingeven oder mündtlich in das signaet anzeigen laeten und folgens sin der-den verfolgs doin und das toegeschlagene gut thom pande heischen, welches der richter gestaeden sall.

7. die clage sah die korthich summarie oder durch articulos ingestalt und gesetzt werden mit einer petition beschloten.

8. dat sall die clager oich der beklagete so binnen gerichts nit berurt noch begüdet item der nit hußsetzig geloven setten oder in gloven statt verblieven vor gerichtliche kosten und folgentz rechts uitewarden.

9. damit nun dem clager forderlogs rechten verholpen und der beklagte sich ferner nit hebbe einiger unwetenheit der fürderung, klage und künftigern gerichtsdages to entschuldigen, sall die richter na dem derden gedauerten verfolge und gelangetem pande under sinem segell dem beklagten den negsten und verden gerichtsdagh durch den frohnen oder andern geschworenen baden schriftlich nennen und verwitigen und die clage von wordt tho wordten, wo die gerichtlich ingegeven, allegeren und darneffen anzeigen :wo die klager darop dat oder die guder tom pande gelanget und im falle hie dem rechten also henfort wie den dreyen vorigen gerichten ungehorsarnb leistete, daß alsdan das pfand, gut oder güder an dem gericht verkofft solt werden.

10. wanner die beclagede dem verden gerichte op die verschreven wette nochmals ahne rechtmäßige bewießliche verhinderungh und noitverschinningh nicht folgede und also sich und sin gut und die beschehne clage unverandtwortet leste, mach der clager sien pandt na themlicher achthung der clage und forderungh verkoepen und alsbaldt nae gewonheit aen das nachfolgende gericht das pfand weder an gelt geven die werderungh beschren und beteronge deponiert, soll der richter den clager in das gut weldigen und dabei handthaven, bis hie darwedder ordentlicken mit recht uitgesatt, wo das sulx dises gerichts alt herkommen und recht is.

11. die noitverschinnige soll ahn demselven gericht bewießlichen geschehen.

12. wannehr die beständige noitverschinninghe vorhanden und angezeigt, sall durch den richter dem, so von wegen des principals die noitverschinningh anzeigen, sinem principalen ahntoseggen befohlen werden, dat hie des negsten gerichts durch sich oder einen vollmechtigen rechts verfolge und antworde, doch sulx nae meßigung und erkandtnis des richters und zeitlichen umbstandes na gelegenheit der vorgetragenen ehefter behinderungen to sicheren ferner zeit to vorstrecken.

13. eine constitution oder vollmacht, wannere die vorgefallenen verhinderungen von den richter, davor der krieg hanget, niet gegeven, dan under des principalen eigen segell oder under des richters off raidts segeln, darunder hie gesetten, gegeven und dan warschop mede gewohnliche formen anbringet, soll aen ferner einrede toegelaten werden. doch das die segeln vor dem richter oder twen kundern unter dem umbstande im falle, der gegentheil der nit kennen wolde, agnosciert werden.

14. so die klage vom derden gericht wo angezogen, beschehen und dem beklagten to sambt vorkündigung der pfhichtgerichtsdagen togestalt, sall hie oen ferner dilation darup bestandiglich antworden nemlich, dat hie der klage thosammen oder thom deile gestand oder ghein gestandt durch die worde gelove oder nit gelove, also nicht gestanden, sall der clager tom nesten anderen oder verden gericht, so hie die bewisungh doin will, antzeigen, da-mit der gegendeil den gerichten, darahn die sachen nit tho doene vergevelich und up schaden to folgen, unbeschwehrt blive.

15. im falle sulcke bewisung kundschaften nodigh, sollen die vom adel up citirungh des richters unweigerlich gelich anderen gemeinen unterdaenen folgen und inmatten, wo hierna verordnet, examiniert werden, aver dene vorn adel alden benompten gebruick in dem falle hingesatzt.

16. so nun op den ersten, tweden oft derden gericht vil verfolges die ansprach und clage gefurdert to apenen, sah die selvige wo gerört schriftlich overgeven oder sonst mündlich angezeiget werden, dar men dan den beclagten up sin anhalten ein aveschrift geven soll sich op to bedenken und thorn negsten gericht, was hie dar gestendig oder niet schriftlich oder mündtlich inbringen, und was nicht gestanden, sall von dem gegendelle (Gegenseite) bewiesen werden.

17. van gegevener clage und antwort sall die parthien nicht ferner dan tho re- und dupliciren gestattet werden und sallen damit alles oires behulpes von notdurft tot endtlichen beschlutt der sachen sich gefaßt stellen.

18. und damit die sache derhalven den partien to schaden nit to lange verschoven und die gemeine landtgerichte mede unvermangeit, sall die richter den partien besondere gerichtsdage darto setten mögen.

19. was von dem clage oder beklagten in den repliquen off dupliquen verneint, sall inwendig vertien dagen und, so die bewisunghe desser gerichte an kundtschaft to gelangen noedig, sies wecken zeides bewiset to werden.

20. was im gericht und des signet angegeven und angezeigt wert, sall allenthalven einem jeden, die sulx beorkondet, aveschrift von gegeven werden.

21. wan in gesatzter rechtlichen zeit als vor und na gerört, nit bewisen noch anbringet oder angebracht, soll folgens damit desert sien und bliven.

22. wanner einem was rechtlich oder sonst von wegen der hohen obrigkeit opgelacht und sulx tosamen of toem deile mit levendigen kunden dom mothe, sall hie den kunden ahn ein besunder gericht heischen laten und da-gegen folgender gestaltz fortfahren.

der richter sah dem zeugführer ein gerichtsdagh ansetzen und dartho den gegenpart na gelegenheit seines standes doch den vom adel, die syn uith oder inheimischer, acht taghe to foren schriftlich und verpitzter oder mündtlich durch den frohnen tot bestembtes verhoer heischen.

24. das sall der zeugführer auf angesetzten tagh platz und uhr das gericht fordern und folgens na inheischung des wederteils und kunden sine articulen, die ihm zu beweisen ufferlegt, und nicht wieders inbringen oder sonst anzeigen laten.

25. dieser articulen und position sollen den kunden op oer begehren und des zeugführers besoldigung aveschrift tor stund gegeven werden sich op to bedenken, welches oen acht tage gestaden soll werden.

26. sullen die kunden wider up gesetzter zeit wieder vor gericht erscheinen und der gefährlichkeit und straf des meineides und falschen eides so die wahrheit van den kunden darumb sie gefraget, verschwiegen, erinnert und vermahnet, und folgens von dem richter bei wehrens des gerichtsschreibers oder frohnen und beiden parteien vorspreckern, so dem gericht sonderlick beedet solen sien, doch jeder kunde besonders vor sich allein vlithig op jeder articule examinirt werden, und wan die gemein mann unverstanden fragstück instellen, so laten der richter ex officio damit die wahrheit klar und hell bekandt an dem alder, bewandtnis und insondere auch oirsacken oires wetens mit anderen gemeinen nödigen umbständen eigentlich verhören und allenthalven in kort am flitigsten upschriven laten.

27. der sollen ghein fragstück wyder dan die gemeine und was sunst umb die wahrheit der principalsachen gründlich to vernehmen doenlich toegelaten werden.

28. und wannere die kunden also verhoret, sal oem negst verhaelter von dem richter gedainer vermahnung der straff des meineides sein bekendtnis nochmals vorgelesen werden, und so hie verandert daby verblift, bey wesen der principalen oder oirer volimechtigern, so alsdan dabey gefoedert sollen werden.

29. up sulcke kundtschaft to excipiren, repliciren oder dupliciren up des gegendels inbringen gemeint soll hie sulx am demselvigen gericht vort angeven sonst des allenthalven begeven bliven, jederteils inwendig acht dagen tom längsten toe beschehen na gelegenheit gestaden sall werden.

30. so jemandts to excipiren, repliciren oder to dupliciren up des gegentheils inbringen gemeint sall hie sulx an demselvigen gericht fort anzeigen sonst des allenthalven begeven blieven.

31. so die partheien einige belage oirer bewiese to doen gefürdert, sollen sie die originalen vorerst im gericht sehen laten und vorlesen und folgens, waner copien derselvigen durch den richtet off geschworenen gerichts-schriver auscultert, inleggen und die originale by sich behalten.

32. wanner beider teile klage und antwort mit bewiese und gegenschutz allenthalven nothtürfig itziger ordnung und prozessen na beschloten , soll der richter den handel na oren anschein und gelegenheit einem vom adel oder gemeinen ingesetzten des gerichts bevelen, darover vermitz dem umbstande, wovon altes recht is, to erkennen.

33. dat sall oek der umbstand des gerichts oder thom lengsten den negsten darover sprecken oder by ehren und eiden das nit wieß und erfahren toe sien, purgeren und alsdan der urdel ahn den negsten ambtsdagh hinstellen. 34. so sich jemandt einiger wiesungh an den gemeinen gerichtsdagen von dem umbstande geschehen beschwerde, soll davon ahn den negsten ambtsdage appellieren.

35. maßen nun bey den gerichtern Bochum und Wattenschede ein guter anzahl von rittermätigen, bürgern und gemeinen haußleuthen unterworfen, denen na lofflichen alten herkommen dat landtgericht to bedienen und over die tytliche vorfallende irrthumben recht to sprechen gebueret und den derhalven stedt an dem gericht to erscheinen ihnen ungelegen, daruit fest allerlei mängel und unverstandt bey denen vom adel und gemeinem umbstand oich ghein gering beschwehr der parteien, denen dat gericht in ihrer forderung bemangelt und sunst opgeschoven vor und na wie kundig entstanden, dem nu so viel möglich vordekommen und, damit ein jeder dat recht fürderlich und gebührlich hinfort gediene möge und niemand sich des gerichtlichen prozesses bey dem landtfürsten to beschweren oder to beklagen vororsackt werde, hebben die samende ritterschap itz verwilliget, dat nu hinfort jaerlix twe gemeine ambtsdage binnen Bochumb over alle gerichtliche handlungen, so wie vorgibt, beslotten und sonst andere zeitliche vorgefallene irrthumbs entlich recht to sprechen von ihnen der ritterschaft und etlichen von der gemeinen landtschaft gehalten sollen werden nemlich ein op donnerstag nach dem sonntag quasi modo geniti, die andere donnerstag nach st martini.

36. tho dießen twen dagen sollen alle des ambts ritterschaft, niemandt von utgeschieden, den morgen titlicken vor 8 uhren binnen Bochumb ahn der kercken erschienen.

37. von der gemeinen landschaft sollen durch den ambtmann, ritterschaft und richter ut jeder kerspelen von den geschicktesten darby to kommen verordnet werden als ut den kerspelen Bochumb 4, Lütgendortmundt 4, kerspel Wattenscheid 4, ut der freiheit Wattenscheid 4, Gelsenkirchen 2, Herne 2, Harpen 2, doch so einiger tyt unter der gemeinen landtschaft mehr sunderlicher geschickter befunden off ahnquämen, sollen dabei noch geordnet und geheschet werden.

38. so jemand von der ritterschaft ehaftige behinderung, die to dem tage bewahrlich sall dargetan werden, nit erschyne, soll mit einem halben aem wyns, was die alsdan binnen Bochumb geltet, der gemeinen ritterschaft ver-fallen sein.

39. der gemeine mann mit einem golden gulden oeren mitverordneten und sonst dem gericht die gewohnliche brüche.

40. wanner am gerorten ambtsdaghe dat godtswort und dienst gehöret, welche tytlich to gescheen bey dem pastor verschafft sall werden, sullen die ritterschaften und die anderen verordneten up dat rahthauß mit dem ambtmann und richter tosamen treden und soll alsdan na gedingetem gesagtem gericht der gerichtsschriever eine jede mangelhaftige und unerorterte gerichtshändel mit den darop ingerichteten geclagten bewisen ordine verlesen, da-rop alsdan was recht entlich erkandt und gesprocken soll werden und also fort to boecke gesetzt.

41. welche sache erst am gericht vorgedragen und besloten, die sall oek erst vorgenommen und affgehoelpen werden, damit sich die reichen noch armen desfals nicht to beschweren haben.

42. nach gehaltenem ambtstage sall der richter tom negsten gericht die partieen in welchen sachen gesprochen na gelegenheit oers standes und gesetzes schriftlich oder mündlich heischen und den rechtsspruch gerichtlich openen und uitlesen laten.

43. wer sich des spruchs alsdan beschwehrt, sall up Lüdenscheid und von Lünscheid op Dortmund, wo gebrüchlich, appellieren mögen.

44. der richter soll up anhalten der appellanten vor dem negsten gerichtsdage tom lengsten die acta to dem overrichter unter sinem segel verschlotten durch den frohnen oder sonst einen geschworen baden verfertigen.

45. so auch der appellant inwendig vorgl. gerichts und die acten to verfertigen bei dem richter nicht forderte, sall die appellation desert syn und blieven.

46. wanner oich der appellant inner jahresfrist na gedointer appellation durch den richter umb verfertigungh und wiederschickung der ordeile by dem overrichter nicht dede fordern, soll folgents auch die appellation desert sein und die erste urtheil exequirt werden.

47. dat soll von den ordielen, so op gemeinen ambtsdagen gesprochen, nit appelliert werden, die sache sey over die vief und tweintich goldengulden hovetgut wehrt.

48. warmer man appelliert, soll niet widers ingelacht werden noch overgschickt werden, dan darop sich acta referieren und in gericht gebracht is, aver so jemandt an gericht nit mündlich sondern folgens inwendig thien dagen schriftlich appellierte und dazu sein beschwehr mit ferneren information und anzeigung seines vermeinten rechtens allegiert, soll der appellationsschrift dem gegenteil copey seinen .gegenbericht so hie was hatte, inwendig acht dagen darna gleichfalls schriftlich up tiden gestattet werden, welche twe deele und nit wieder der richter by die acta soll leggen mögen.

49. von der ritterschaft und gemeine ambtsverordneten soll op die ambtsdage von gener parten dat sy an bewiese, an information der rechten noch sonst an anderen schriften was nies angenohmen werden dan so viel allein von beiden partheien vorhin an dem gerichten ordentlich ingebracht und in dem signaet opgeschreven befunden.

50. darümb sollen die frohnen vor dem rathauß verbliven mit dem befehl, nieman darop to laeten den ritterschap und verordnete oick geine briefe oder schriften jemandt over to antworten oder to behanden annehmen.

51. des sollen gheine nohtgerichte, kundschap to verhören, gehalden werden, dan folgenden oirsacken.

52. anfanglich so jemandt to bewiesen in rechten uperlagt item op der walstede, im felde, gebuschatte oft anders was to bekonden.

53. so jemand sich by dem ambtman etliches darover dem landfürsten verscheven beklaget und der ambtman om dem cleger die clage oder beklageten syn ingerede to bewaren befelch dede.

54. wanner over gerichtlichen in angabe und anforderung kompstig erwartede und darin etliche die wegfertig buten landes to vertrecken oder sunst alt kundtschaft to gebreuken nödig hat, mochte hie von denen die kunt-schop toe gedechtnisse fordern und nemen.

55. des sollen twe vorsprecker verordnet werden, die dem gericht vereydet sullen wesen, düsser ordnunghe to loven und oeren partien truwelich to dienen und soll sunst anders nymantz to gericht fordern oder sprechen, danit düsser proceß bestendlich ohne vernewerung gehalten mögen werden, doch so jemandt to einem besonderen vorsprecken oder worthalter hebben wolde, sol gestadt werden, irrt falle hie düsser ordenunghe lovet und sull de part darnach dem verordneten vorsprecher sin besoldung geven.

56. die vorsprecker sullen beiden parten ihr wort unweigerlich halten und welche sache sie angefangen to fordern oder to verantworden, by dem sullen sie bis to erorterung desselvigen bliven. der vorsprecker gerichtliche besoldung sall syn, wie folgt:

von einem verfolge 3 d (d = denare)

die clage vor to dragen 12 d

dat pandt to verkopen 12 d

ein ordel to begehren 12 d

derglichen wanner excipirt, repliciert oder duplicirt wirdt 12 d

dat pandt wider an gelt to geven 6 d

im noitgericht die kost und 3 sh (sh = schillinge).

Einem rittermatigen mit einem diner vor sich, den knecht und perde 4 quart wins.

gegen itzig ordeninge und gerichtlichen prozeß soll niet geordelt, dan der alles deils von dem richter, ritter- und landtschaft oick den parten gelovet werden, geiner ferner wising to gewerden.

 

Anlage 3

St. A. Düsseldorf, Kleve-Mark X 72 Bd III

Bl 44—48

 

Übliche observantz, brauch undt herkommen des churf. Brand. Märckischen Appellations-und Amptsgerichts Bochumb.

Gleich wie es den gemeinen gerichten gemäß, also ist es auch ahn diesem gerichte zu beachten, das inter causas primae et secundae instantiae ein unterschied in der natur ist und auch gemachet werden muß, angesehen von den gerichten Herbede, Stipel und Horst auf der Ruhr hiehin appellirt wirdt. Und wird zwahr alhier auch in den appellationssachen nach form und weise der gemeinen rechten und wie in den benachbahren appellationsge-richten herkommens und prauchlich procediret.

So wird in prima instantie wieder ein unterscheid gemachet, inter processum ordinarium et extraordinarium. Und sollen ad extraordinarium gehören alle schultforderungen und pfändungs auch alle anderen sachen, welche dergleichen natur, sonderlich da außländlische oder unmündige oder verarmpte, wittibe etc zu actioniren, darzu der terminus nicht eben auf 14 tagen, sondern pro re nata bestimmet wird, welche extraordinarisch handelungen auch mit einem anderen nahmen nemblich notgerichter bey den alten und vorigen protocollis genannet worden und, was also gegen den adel oder unadel dieses ampts erkennet worden, exequiret ist, die nicht attendiret, dass etwa itzo einige adliche vermeinen wollen, ob sein ihre bestialen keiner richterlichen execution untergraben, solange bey ihren bauern erbe oder haab vorhanden. Ferners gehört ad extrajudicialia das vormund- protocoll oder gericht, welches in anordnung und beeydung der unmündigen dieses ampts vormündern und deren jahrlich rechenschaft abhorung besteht, und wird churfst. gnedst edicto dieserhalb ausgang gelebet.

Die andere sachen aber, wo libelliret und sonsten ordinario more verfahren wird, gehören ad ordinarium von 14 zu 14 tagen gestellet.

Von alters her ist bräuchlich gewesen, das die zeitliche amptleuthe zu sicherer zeit haben pflegen amptstage zu halten, wo dan des landtsfürsten seine hoheit und anderer gewalt betreffende sachen: alß ihr churfstl. durchl. amptgräntzen. zu conserviren, grobe und wolfesjagten nach befinden vorzustellen, durchreisende hohe personen oder sonst nahmens ihre höchstge. churfstl. durchlaucht zu gratuliren, criminaldelicten halber mit zu invigi-litren, seind vorgenohmen, und den mißprauchen nach möglichkeit und der zeit gelegenheit nach remediret worden. Jedoch ist auch keinem verboten gewesen, auch solche sachen an den richter gelangen zu lassen und wan der amptman befindet, daß er die sache nicht vergleichen konte und die parteien in contradictorio versirten so hat es sie also bald an das land- oder ordinari gericht verweisen müssen, und ist nicht allein nicht herkommens, sondern auch ein amptman nicht bey macht gewesen, einig prozeß vor sich treiben zu lassen oder einige execution, immission oder wie das sonsten nahmen haben magh, zu verrichten. Und da gleich bei dieser Zeit per viam specialioris commissionis zeitlichem amptmann neben richter oder sampt, sonderlich in causis debiti oder dergleichen sachen aufgetragen sind, die verhandlungen durch den gerichtsschreiber als darzu vereydete person ad protocollum bracht und durch denselbigen acta conscribirt werden auch endlich da es zur execution oder immission geraten ein solche zu bewürcken judex loci ersuchet. der den damit citatis partibus die sachen gerichtlich grandiget und exequiret auch von sothaner immissionsbewirckung instrumenta justitialia erteilt.

So hat auch kein zeitlicher Amptman keine sachen so am gericht hängig von demselbigen abfordern oder etwas dahin verändern können oder dürfen, ut patet ex beylage Lit. B. (diese Anlage ist nicht mehr vorhanden)

Mit den schöpfen hat es in diesem ampt und appelationsgericht die gelegenheit, das in den capitalsgerichten wan ein armer sünder zum todte oder sunst verdammt werden soll, sieben sichere freyen, welche im ampt gesessen, darzu abgeladen werden, wodurch die alsdan der schöffen stelle alda vertreten.

Was sonsten die sieben freyen jahrliches proclamando des ampts veste und gerechtigkteit namens ihr. churfstl. durchl. unseres gnedigsten herren haben, darüber sende einen copeylich gerichtlich extract sub Lit. C. (pro not. auch diese Beilage ist nicht mehr bei den Akten, sie enthielt offenbar das bekannte Bochumer Stoppelrecht, das die sieben Freien jährlich auf dem Vestentag verlesen mußten). Sonsten in anderen sachen werden von alters her jahrlichs zwey ampttage gehalten: nemblich auf Donnerstag nach dem sonntag q. modo geniti und des donnerstag nach martini, auf welche der richter dem zeitlichen amptman und allen im amptgesessenen ritterbürtigen auch auß jedem kirspel vier oder zwei hausleuthe wie auch ‘drei appellationsherren herbede, stipel und horst aus den am gericht hangenden sachen, in welche geschlossen, referiert wo alsdan der herr droste, ritter-schaft und ampteingesessene entweder die sachen zu entscheiden oder aber da einige bedenckens dabey vorfällen, zu verordnen plegen, das sie ahn unparteiische rechtsgelehrten ausgestellet werden, und ist dieses an stat der schöpfen, unter dessen wird aber in der sachen am gericht procedirt und durch voriges keine aufgehalten.

Von der citation oder abladung

Ein gemeiner plebent oder andere amptseingesessene wird woll per preconem viva ipsius voce oder auch per citationem in scriptis comprehensis abgeladen und sönst gegen die außbürtigen, deren güter allhier im ampt gelegen und darauf procedieret werden will, der gebühr per juris subsidiales procediert. einer vom adel aber muß erstlich 14 Tage von dem richter von etwa des vorhanden clegers intention advisirt und ihm zeit zu bedencken gegeben werden und, wann er die ohne bezahlung oder satisfaction hinstreichen läßet, so wird dan zu der citation und weiteren proceß nach form und weise der gemeinen rechten fortgeschritten, also der eins und darnach singulis juridis voce campanae geladen wird. und ist dieser modus ohne unterscheid sowoll in ordinariis als extraordinariis derzeit gebraucht worden.

In extraordinariis und primo termino wird citatio reproducirt cum decreto oder preco referirt selbst de facta citatione, darauf bittet der clager pfandverkaufung vor seine anforderung und, si sit causa liquida et confessata, gibt der richter ex offico zeit zu bezahlen bis zum negsten gericht, an demselbigen zweiten termino gibt der richter ohn weiteren verfolg nochmals 14 tage idque sub poena distractionis. in dem dritten termino aber wird bei endstehender zahlung zum wircklichen umbschlag (= Verkauf) gechritten, es wehre dan, das beclagter aus erheblichen motiven von dem richter oder clager weitere zeit erhielte.

Wan dan also das pfand umbgeschlagen, so wird zu dessen distraction oder execution geschritten, ist das pfand beweglich, so stehet es drei nächte auf dem pfandstahl und dan wird es werdiret (= abgeschätzt), und wan es dan wiederumb in drei nächten nicht abgelöset und von dem beclagten nicht gerettet wird, so wird es dann dem clager adjusticiert und zuerkannt, und werden diese sechs nächte von alters die wehrnächte genannt.

ist aber das pfand unbeweglich, damit dan die parteien nicht lange aufgehalten würden, so stellet der richter nach altem herkommen und gebrauch außer den gemeinen gerichtern ein absonderlich executionsgericht an, worinnen auch in kurtzen terminen gehandelt wird und dem beclagten frey stünde, die ihm competirende und dahin gehörende auszüge einzuwenden wird dan auch erstlich zu der aestimation und dan auch folglich zu der immission verfahren. wär aber die sache streitig, so wird darinnen nach den beschrieben gemeinen rechten bis zum schluß und ausstellung an dem amptstage verfahren.

In ordinariis ist gleichfalls nach reproducirter citation in primo termino von dem clager auf alle des beclagten güter ein arrest gefordert und von dem richter erkannt worden, welcher arrest jedoch der beclagte alsobald mit gebührlicher uhrkund entsetzen können und obschon von alters gebräuchlich gewesen, dass der clager solche arrest zum dritten male verfolget und im dritten termino erst proximum libellandi gebeten auch der beclagte ohnerachtet der clager auch im ersten termino seyn libell übergeben darauf vor dem vierten termin zu antworten nicht schuldig gewesen. so ist jedoch bey dieser letzten zeiten mit allem fleiß dahin gestrebet worden, daß diese überflüssigkeit abgeschaffet und alles soviel möglich zu der gemeinen rechten und deren üblichen gebrauch reduciret worden.

Mit dem beweistumb ist den gemeinen rechten und üblichen stylo gemäß sowoll in ordinariis als extraordinariis von dem richter ein absonderlicher tag ernennet und darin der gebühr nach verfahren worden.

Bey den pro contumacia ist an diesem gericht auch kein unterscheidt von den gemeinen beschriebenen rechten, von einem an diesem gericht ausgesprochenem urteil aber obschon dem alten herkommen gemäß nach Lüden-scheid tantum ad vim revisionis aut consultationis appelliert worden, so wird jedoch anitzo gemeinlich auf Cleve berufen, und were verscheidener consideration halber zu wünschen, das es bey dieser letzten appellation alleine sein verpleiben hätte.

 

Anlage 4

St. A. Düsseldorf Kleve-Mark Akten X 72 Bd. 3 Bl. 41, 42

 

Bericht des Schultheißen Elbers an die Regierung in Cleve vom 12. 4. 1650.

Hochgeborener GraU, gnediger Herr auch hochedelgeborener gestrenger großgepietender herr.

Auf E. hochgraefl. Excell. und E. hochedelg. gestr. unterm dato den 18. martij neben einem postscripto gnedig ahn mich ausgelaßenes und den 7. dieses monats empfangenes anschreiben und darin begriffene puncta habe in unterthänigkeit zu berichten nicht unterlaßen sollen, weßgestalt bey diesem stattgericht so sich nur über die einwöhner dieses geringen orts erstreckt, keine eigene schriftliche gerichtsordnung meines wißens vorhanden, sondern man sich in modo procedendi dem beym ambtsgericht üblichen stylo gemeiniglich gemeß zu halten und darnach zu regulieren pflegt, außerhalb daß dem stattgericht die bürgermeister oder andere aus mittels des rhadts als assessoren beywohnen. habe also disfalls nichts übersenden können wird auch sonsten vom h. ambtsrichtern was dieserwegen bey selbigem vorhanden sein mögte, ohngezweifelt berichten und eingeschickt worden sein, so viel dan ferner die brüchten, dienst-, landts- und polizeiordnung betrifft, habe von selbigen auch nichts einschicken können, weil jetzige polizeiordnung nicht ich, sondern der magistrat in händen hat, ist auch von brüchten, dienst und landtordnungen bey mir ebenfalls weiter keine nachrichtung den daß in dieser stadt fallende brüchten vermüge deren privilegien und alter gewohnheit von der obrigkeit und magistrat daselbst geschlichtet und erhoben werden.

Wie mir dan auch von eingerießenen differentien bey exercierung der jurisdiction sonderlich nicht bewußt, nur, daß sich der magistrat hieselbst über herrn richter zu Castrop, dr. Carolo Bordelio, wegen einiger unterstandener praejudizirlichen wirrungen beschwert und solches in specie hieselbst vor wenigen tagen unterthänigst berichtet und zu deren remedijrung landtf. gnedigste manutenenz gehorsambst gesuchet und geben hat.

Den inhalt des 5. punctes anlangend wird der gottesdienst auf son-, fest- und bettagen verrichtet und zwahr ahn den monatlichen bettagen durch die evangelisch-lutherische vor- und nachmittags, von den anderen religions-parteien aber des vormittags allein predigt gehalten, wobey sich dan bißwellen zuträgt, daß die predigten von etlichen zuhörern woll fleißiger, von etlichen auch woll weniger alß von andren geschieht, besucht werden. Es unternehmen sich auch die hieselbst wohnenden juden, deren zahl sich in kurtzem etwas gemehrt, ihre öffentliche synagoge und versammlungen mit jüdischem geschrey oder gesängen und anderen ihren ceremonien zu halten, darüber sich dan die benachparten christen in etwa beschweren thuen.

Wie sich dan auch woll begeben thuet, daß vor und nach excessen vorlauffen und der polizeiordnung zuwider gehandelt wird, darüber die verbrecher, wen die delicte innerhalb der statt und deren bottmäßigkeit begangen durch die obrichkeit und magistrat daselbst, sonsten aber wenn außerhalb der statt committieret, vom churfstl. fisco dem befinden und der sachen gelegentlich nach gestraffet werden.

Von beschaffenheit des 8. und 9. punctes wie auch des gantzen postscripti ist mir nichts bewußt, angesehen der contributionssachen und waß denen anhängig, nicht ich sondern bürgermeister und rhatt hieselbst unter händen haben und von selbigen verrichtet werden.

Wie dan auch vom 10. und anderen folgenden puncten weillen mir anbefohlene jurisdiction wie vorgetr. sich nur über dieß geringe stättlein erstreckt, nichts zu berichten weiß, solches auch sonsten von herrn drosten und richtern des ambts Bochumb ohngezweilelt geschehen wird.

Welches E. hochgraffl. excell. und E. hochedel. gestr. unterthänigster schuldigkeit nach zum gehorsamen Bericht nicht verhalten sollen und thue dieselbe damit in den schutz des allerhöchsten und mich dero zu beharrlichen gnaden unterthänigst empfehlen.

 

 

Bochumb des 12. Aprilis Ao 1650.

 

E. Hochgraffl. Excell und

E. Hochedelgeb. Gestr.

unterthäniger

Dietherich Elbers Schultheis zu B.

praes. Cleve d. 21. april 1650

 

Impressum

1958 Bochum Ein Heimatbuch

 

7. Band

 

Herausgeber

Vereinigung für Heimatkunde e.V.

Druck und Verlag: Schürmann & Klagges