Neues Schrifttum zur Geschichte der Stadt und des ehemaligen Landkreises Bochum

 

Helmuth Croon

 

Von den in den letzten Jahren erschienenen Schriften und Aufsätzen behandeln nur einige wenige die Zeit vor 1800. Einer der besten Kenner der russischen Geschichte, der verstorbenen Berliner Universitätsprofessor K. S t ä h l i n, zeichnet in den westfälischen Lebensbildern ein Lebensbild des Grafen Ostermann. Steht in dem Aufsatz Kleffs im Bochumer Heimatbuch 1938 die menschliche Seite Ostermanns im Vordergrund der Dar-stellung, so würdigt Stählin ihn vornehmlich als russischen Staatsmann, der “kraft seiner nicht eigentlich schöpferischen, doch hochbedeutsamen staatsmännischen Talente, seiner überragenden Arbeitsleistung, seiner Schmiegsamkeit sowie seiner damals einzigartigen Unbestechlichkeit” die Anerkennung Peters des Großen fand, seinen Nachfolgern sich als unentbehrlich erwies, bis er als sichtbarster und bedeutendster Vertreter der deutschen Herrschaft im nachpetrinischen Rußland 1741 nach dem gewaltsamen Regierungsantritt Elisabeths gestürzt wurde. In dem ersten Band der Duisburger Forschungen ist ein Vortrag abgedruckt, den Herbert E u 1 e n b e r g im Winter 1946/47 gehalten hat. Mit dichterischem Nachempfinden zeichnet er mit wenigen, überlegt gewählten Sätzen ein liebenswürdiges und anschauliches Bild von dem Dichter der Jobsiade und seinem dichterischen Werk. Eine ausführliche Geschichte des Dortmunder Patriziergeschlechtes Berswordt, dessen Zweig Berswordt-Wallrabe zu Weitmar im 19. Jahrhundert im Kreise Bochum eine führende Stellung einnahm, gibt K n i p p e n b e r g. Er würdigt das Wirken dieser Familie im Dienste der Stadt Dortmund – 33 Mitglieder dieser Familie waren von 1261 – 1803 Ratsherren von Dortmund – ihre Leistung als Kaufleute im Ausland, stellt im einzelnen ihren Grundbesitz und ihr Vermögen dar. Von der Bauernschaft Heßler, ihren Höfen, Kotten und Burgen, sowie von dem Oberhof Nienhausen und seinen Unterhöfen berichtet Gustav G r i e s e auf Grund eingehender Quellenstudien. Der 7. Band des Gelsenkirchener Heimatbuches enthält eine sorgfältig gearbeitete Geschichte Rotthausens von Helmut W e i g e 1. Wie in den vorhergehenden Bänden wird ferner die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung dieser beiden Gelsenkirchener Ortsteile im 19. Jahrhundert sowie die Geschichte ihrer Schulen und Kirchengemeinden dargestellt. In die jüngste Vergangenheit führt der vor kurzem verstorbene, verdienstvolle Geschichtsschreiber des Ruhrbergbaues S p e t h m a n n mit seinem Bericht über die Eroberung des Ruhrgebietes im Frühjahr 1945. In kurzen Umrissen gibt er ein klares Bild von den ereignisreichen Frühjahrmonaten dieses Schicksalsjahres. Seine Leistung ist besonders zu würdigen, da die Unzulänglichkeit der schriftlichen Quellen mühselige Einzelnachforschungen erforderte. Der Aufsatz ist zu-gleich als selbständige Schrift erschienen und damit einem größeren Leserkreis leichter zugänglich.

Daß die meisten der anzuzeigenden Schriften und Abhandlungen die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des 19. Jahrhunderts behandeln, mag zum Teil darin begründet sein, daß eine Anzahl von Werk- und Firmenjubiläen den Anlaß zu größeren Veröffentlichungen gaben. Es kommt hierbei aber auch ein Wandel der landesgeschichtlichen Forschung zum Ausdruck, die sich in den letzten Jahren in stärkerem Maße der Zeit- und Sozialgeschichte zugewandt hat. Das Lebensbild Jacob Mayers in den rheinisch-westfälischen Wirtschaftsbiographien ist eine gekürzte und dadurch gestraffte Wiedergabe der bereits 1938 in der Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Technikgeschichte veröffentlichten Lebensbeschreibung, in Einzelheiten z. T. durch neuere Forschungen ergänzt. Dadurch, daß die technikgeschichtlichen Fragen kürzer behandelt sind, tritt das Bild Jacob Mayers als Mensch und Erfinder deutlicher hervor.

Anläßlich ihres 100jährigen Jubiläums haben die Bochumer Stadtwerke eine kleine Schrift herausgegeben, in der B r i n k m a n n sehr anschaulich die Anfänge der Gasanstalt mit ihren mannigfachen Schwierigkeiten, die Probleme der Bochumer Wasserversorgung, die Entwicklung der Stadtwerke durch Kriegs- und Nachkriegszeiten bis zur Gegenwart behandelt. Seine Darstellung stützt sich vornehmlich auf die einschlägigen Verwaltungsberichte, ferner wurden Zeitungen von ihm benutzt, die die Einstellung der Bürgerschaft zur ungewohnten technischen Entwicklung recht reizvoll erkennen lassen. Aus seiner Feder stammt auch die kleine Geschichte der Flottmannwerke. Der Leser gewinnt in ihr ein ausgezeichnetes und lehreiches Beispiel für den Aufstieg eines Unternehmens von einer kleinen Bochumer mechanischen Werkstatt zum führenden Weit des Bohrmaschinenbaues dank der persönlichen Leistung eines Mannes, Otto Heinrich Flottmann. Für den Historiker hat die Arbeit dadurch besonderen Wert daß diese Firmengeschichte eine der wenigen ist, die einen Schrifttums- und Quellennachweis enthalten. Auf unmittelbarer Quellenforschung ist zwar die Meine Schrift, die die Bochumer Bergbau A. G. ihren Jubilaren widmet, nicht gegründet. Sie vermittelt aber ein klares Bild von der Geschichte der dieser Gesellschaft gehörenden Schachtanlagen von den frühesten Anfängen des Stollenbaus im 18. Jahrhundert an bis zur Tiefbaugewinnung der Gegenwart. Eine Anzahl gut ausgewählter Karten und Bilder bereichern die Schrift, die vor allem für den von Nutzen ist, der sich schnell und zuverlässig über die zahlreichen ehemaligen, heute stillgelegten Schachtanlagen im Bochumer Süden unterrichten will.

M a x bietet mit seiner Stadtgeographie Wittens mehr, als der Titel vermuten läßt. Auf Grund des einschlägigen Schrifttums gibt er eine kurze Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt vom 17. Jahrhundert an, und zwar vornehmlich des 19. und 20. Jahrhunderts. Die betriebswissenschaftliche Diplomarbeit von B r o c k h o f f bietet eine Ergänzung insofern, als in ihr auch mündliche Auskünfte von Männern1 die an führender Stelle in der Industrie und Verwaltung stehen, ausgewertet wurden; es erhebt sich aber hier die Frage, ob den Gründern der heutigen Werke nicht nachträglich mehr Überlegungen hinsichtlich der Standortwahl ihrer Betriebe zugedacht werden, als sie selbst wirklich hatten. In die Zeiten des Eingemeindungskampfes der zwanziger Jahre, des ver-geblichen Strebens der Stadt Witten um die Eingemeindung von Langendreer-Werne führt der Rückblick des Wittener Stadtdirektors Z im m e r m a n. Die beiden anläßlich des 100jährigen Werksjubiläums herausgegebenen Festschriften des Gußstahlwerkes Witten und der Henrichshütte Hattingen entsprechen in Anlage und Aufmachung den heute leider üblich gewordenen Firmenfestschriften. Mit vielen Bildern und nur wenigen firmengeschichtlichen Angaben dienen sie mehr der Werbung, dem Historiker geben sie allzu wenig. Auf einem sorgfältigen Quellenstudium dagegen beruht die Arbeit von E v e r s b e r g ; obwohl sie nur ein knappes Jahrzehnt umfaßt, gibt sie mit ihrer inhaltsreichen Darstellung der Anfänge der Henrichshütte einen wertvollen Beitrag zur industriellen Frühgeschichte. Die Festschriften, die die Harpener Bergbau A. G. und die Industrie- und Handelskammer Bochum anläßlich ihres 100-jährigen Jubiläums veröffentlichten, haben beide Franz M a r i a u x zum Verfasser. Der Titel zeigt ihre Eigenart an. Mariaux schreibt keine Geschichte, sondern ein Gedenkwort. Die Aufgabe war in beiden Fällen für ihn nicht leicht, sind doch seiner Arbeit bereits umfassende, stoffreiche und quellengesättigte Veröffentlichungen vorausgegangen, zur Geschichte der Harpener Gesellschaft 1936 die Arbeit von Heinrichsbauer “Harpener Bergbau A. G. 1856 – 1936” und Heise, “Die technische Entwicklung der Anlagen”, zur Geschichte der Handelskammer die beiden Festschriften anläßlich ihres 50- und 75jährigen Bestehens. Der Historiker steht immer wieder vor dieser Aufgabe; der größere zeitliche Abstand, neu erschlossene Quellen, neue Fragestellungen geben ihm jeweils die Möglichkeit die Vergangenheit der Gegenwart von neuem lebendig zu machen. Mariaux‘ Ziel ist es, die Entwicklung der Harpener Gesellschaft im Rahmen des internationalen Geschehens darzustellen, den geistigen unternehmerischen Zusammenhang aufzuzeigen. Er sieht eine innere Übereinstimmung zwischen der allgemeinen politischen Geschichte und der Firmengeschichte und unterscheidet demgemäß drei Zeitabschnitte: die Gründungszeit der Harpener Bergbau A. G., bestimmt durch die Persönlichkeit Friedrich Wilhelm Müsers; die Zeit des Bismarckreiches, in der Robert Müser das Unternehmen leitete, ihm den Stempel seiner Persönlichkeit gab; die Zeit von 1918 – 1945, die in der ersten Hälfte durch Paul Silverberg, in der zweiten Hälfte durch Friedrich Flick gekennzeichnet ist. Es ist recht reizvoll zu lesen, wie Mariaux diese in ihrer Art durchaus verschiedenen Menschen kennzeichnet, ihre Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern wie Kleine und Eiter schildert, sie in ihrem Verhältnis, in ihrem Mit- und Gegeneinander zu den anderen führenden Männern des Ruhrgebietes wie Kirdorf, Stinnes, Vögler zeigt, diese zugleich in ihrer Eigenart lebendig zu machen versucht. Man merkt, daß ein großer Teil dieser Männer in ihrer Art Mariaux aus persönlicher Kenntnis vertraut ist. Die Erfahrung des geschulten Zeitungsschriftstellers zeigt sich in manchen Formulierungen. Hierin liegt aber zugleich eine Gefahr; dies gilt vor allem hinsichtlich der Abschnitte, in denen er die politische und gesellschaftliche Zielsetzung der Vergangenheit darzustellen versucht; man kann sich an manchen Stellen des Eindrucks nicht erwehren, daß um der Darstellung, der Formulierung willen Tatsachen verzeichnet werden, wie ihm auch in Einzelheiten Fehler unterlaufen sind. Seine Angaben (S. 224 und 263) zur Verfassungsentwicklung des Bismarckreiches sind irreführend und zeigen, daß ihm die entscheidenden verfassungsgeschichtlichen und verfassungsrechtlichen Begriffe nicht vertraut sind. Deutschland ist keineswegs mit der Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechts für die Reichstagswahlen 1867 mit Verspätung dem englischen Beispiel gefolgt, sondern England, das erst 1918 das allgemeine Wahlrecht ein-führte, vorausgegangen. Die innerpolitischen Auseinandersetzungen während des ersten Weltkrieges gingen nicht um die Einführung der konstitutionellen Monarchie, sondern um die Umwandlung der bestehenden konstitutionellen in eine parlamentarische nach westlichem Vorbild. Daß die letzten 30 Jahre nicht in voller Ausführlichkeit geschildert werden können, ist verständlich mit Rücksicht auf noch Lebende, den geringen zeitlichen Abstand, der uns von den Ereignissen trennt, die Belange des Unternehmens. Daß genauere Angaben auch für die jüngste Vergangenheit möglich sind, zeigte jedoch die Veröffentlichung von 1936.

Als kurz nach der Jahrhundertwende die rheinischen Handelskammern ihr l00jähriges Bestehen feierten, veröffentlichte der Syndikus der Krefelder Kammer eine gelehrte Abhandlung über die Anfänge der Handels-kammer am Niederrhein. Wiebe, der Bochumer Syndikus, schrieb zur gleichen Zeit seine Geschichte der ersten 50 Jahre der Bochumer Kammer und 1909 seinen auch heute noch nicht überholten Beitrag über die wirtschaftliche Entwicklung der Grafschaft Mark zu der von Meister herausgegebenen Festschrift anläßlich der 300jährigen Zugehörigkeit der Grafschaft Mark zu Preußen. Es ist ein Zeichen der Zeit, daß die Handelskammern, die in den letzten Jahren ihr 100- oder l25jähriges Bestehen feierten – Düsseldorf, Wuppertal, Hagen Bochum – mit der Bearbeitung des geschichtlichen Teils einen besonderen Bearbeiter außerhalb der Kammer beauftragten. In ihrer Art sind die einzelnen Festschriften sehr verschieden. B e u t i n gibt auf Grund eingehender und sorgfältiger Quellenstudien mit der Geschichte der Handelskammer Hagen eine Geschichte der südwestfälischen Wirtschaftlandschaft, der Entwicklung ihrer Industrie aus kleinen Anfängen, dem Werden und Wandel des Unternehmertums. Ein umfangreicher Quellen- und Schrifttumsnachweis, zahlreiche Anmerkungen erleichtern dem Forscher die Weiterarbeit. Die Hagener Festschrift ist ein Beispiel dafür, wie sich wissenschaft-liche Zuverlässigkeit und Gründlichkeit mit einer anschaulichen, für einen größeren Leserkreis verständlichen Darstellung verbinden lassen. Ein sorgfältig ausgearbeitetes Register erleichtert die Benutzung. Der Raum der Bochumer Handelskammer ist ein Teil des Ruhrgebietes, in seiner Eigenart nicht so leicht abzugrenzen wie der Bereich der Hagener oder Wuppertaler Kammer. Dies, zeitliche Gründe und vor allem wohl auch eigene Neigungen haben Mariaux veranlaßt, die ihm gestellte Aufgabe in anderer Weise zu lösen, darzustellen, wie die Handelskammer als Einrichtung und Vertretung der Wirtschaft wurde, wie sie sich als lebendiges Gebilde gestaltender Menschen kraft der in ihr wirkenden Persönlichkeiten im Wandel gestaltete, welche Stellung sie im Kreise der deutschen Handelskammern einnahm. Die von ihm herausgegebene Festschrift gliedert sich in zwei Teile, dem ersten darstellenden Teil folgt ein Quellenteil. Er enthält Reden, Vorträge und Aufsätze, die im einzelnen das Werden der Kammer veranschaulichen, beginnend mit den zeitlich jüngsten, der Festansprache des Präsidenten am 30. Oktober 1956 und einigen Vorträgen aus der Nachkriegszeit; die letzten sind die Eingabe des Bürgermeisters Grewe vom 20. Mai 1855 an den Landrat wegen der Errichtung einer Handelskammer und ein Auszug aus den Lebenserinnerungen von P. E. Müllensiefen über die Anfänge der Glashütte in Crengeldanz. Als besonders bemerkenswert sind zu nennen die eigene Lebensbeschreibung Wilhelm Endemanns aus dem Jahre 1872 und die Erinnerungen des früheren Syndikus Jacobshagen aus seiner Bochumer Tätigkeit 1918 – 1923. Mariaux beginnt sein Gedenkwort mit einer sehr ausführlichen mehr als ein Drittel des Textes umfassenden Darstellung der Entwicklung der Handelskammern in Spanien und Frankreich der Gründung der rheinischen Kammern, insbesondere der Kölner, des politischen und wirtschaftspolitischen Wirkens ihrer hervorragendsten Mitglieder Merckens, Hansemann, Camphausen, von Beckerath. In der Geschichte der Bochumer Kammer unterscheidet er mit Recht drei Zeitabschnitte, die durch Änderungen der gesetzlichen Bestimmungen, vor allem die allgemeine politische und wirtschaftliche Entwicklung bedingt sind: die Gründungszeit, die Zeit des Bismarckreiches, die Zeit nach 1918. Das Schwergewicht seiner Arbeit liegt auf den beiden ersten Zeitabschnitten, während die ereignisreiche Entwicklung nach 1918 leider nur in Umrissen auf knapp 40 Seiten gezeichnet wird. Er zeigt, wie jeder dieser Abschnitte durch das Wirken einzelner oder mehrerer Männer geprägt wurde. Er versteht es, diese Männer, Gustav Müllensiefen und Endemann, Louis Baare, Gustav Frielinghaus, Theodor Müllensiefen, Otto v. Velsen in ihren Eigenarten mit ihren Anschauungen und Vorstellungen lebendig darzustellen; sehr gut wird herausgearbeitet, wie seit der Jahrhundertwende neben den Präsidenten die Geschäftsführer wie Georg Wiebe und Otto Hugo eine stärkere Bedeutung gewannen. Seine Absicht aufzuzeigen, “was in den Jahrzehnten bis 1914 in Deutschland der Kaufmann war”, wird in einer fesselnden, stilistisch hervorragenden Darstellung verwirklicht. Dem Kundigen erwachsen aber bei genauerem Lesen Beden-ken, er stößt auf mancherlei Mängel und Unrichtigkeiten. Zum Beispiel: Friedrich Wilheim IV. hat 1848 Hermann v. Beckrath nicht zum Reichsfinanzminister ernannt (S. 126). Bismarck war bei seiner Berufung zum preußischen Ministerpräsident nicht Gesandter in Petersburg, sondern in Paris (S. 210). Die “Hottentottenwahlen” waren nicht 1908, sondern 1907 (S. 270), die Arbeiterschaft erteilte in jenem Jahr der Sozialdemokratie keineswegs eine Absage, wie Mariaux behauptet. Die Zahl der sozialdemokratischen Mandate sank zwar infolge der Wahlverbündnisse der bürgerlichen Parteien und einer stärkeren Wahlbeteiligung, die Zahl der sozialdemokratischen Stimmen aber nahm weiterhin zu und ihr Anteil an der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen erhöhte sich geringfügig. Einen Oberpräsidenten bat es in Arnsberg nie gegeben (S. 500), gemeint ist vermutlich der Oberpräsident in Münster. Daß der “Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen”, der Langnamverein zu einem “Verein zur Hebung des gesamten Verkehrs in Rheinland und Westfalen” wird (S. 227) dürfte in einer Festschrift einer Industrie- und Handelskammer nicht vorkommen. Dr. Mertes, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Dortmunder Kammer wird sich auch gewundert haben, wenn er auf Seite 144 las, daß aus seiner im Jahre 1942 in 2. Auflage unter dem Titel “Das Werden der Dortmunder Wirtschaft” veröffentlichten Geschichte der Dortmunder Kammer eine Schrift “Das Werden der Bochumer Wirtschaft” geworden ist. Die Kritik mag dem einen oder anderen Leser kleinlich erscheinen. Da genaue Quellen und Schrifttumsnachweise fehlen, muß sich aber der Historiker fragen, ob die vorhandenen und erreichbaren Quellen alle herangezogen und sorgfältig ausgewertet wurden, ob nicht im Gedenkwort stärker Überlegungen und Gedankengänge, Meinungen und Vorstellungen des Verfassers als die geschichtliche Wirklichkeit zum Ausdruck kommen.

K o c h s gehaltvolle Untersuchung ist ein wertvoller Beitrag zur Sozial- und Parteigeschichte des Ruhrgebietes. Die Tätigkeit Fusangels als Schriftleiter der “Westfälischen Volkszeitung” und in den Anfängen der christ- lichen Gewerkschaftsbewegung findet ebenso ihre Würdigung wie das verdienstvolle Wirken Otto Hues als Schriftleiter der Deutschen Bergarbeiterzeitung und maßgebender Führer der freien Gewerkschaften; hingewiesen wird auch auf die besondere “Bochumer Richtung” innerhalb der evangelischen Arbeitervereine. Manche Frage läßt die Arbeit noch offen. Es bedarf noch näherer Untersuchungen, wie weit das Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen seit den 90er Jahren auf einen Wandel in der politischen Einstellung der einhei-mischen Arbeiterschaft zurückzuführen ist – die Evangelischen wählten bis zu diesem Zeitpunkt vorwiegend liberal – oder ob die sozialdemokratischen Wähler eher in den Kreisen der Zugewanderten zu suchen sind. Einzeluntersuchungen zu den politischen- und Gemeindewahlen vermögen allein hierüber eine Auskunft zu geben. Es ist zu erwarten, daß die im Stadtarchiv aufbewahrten, z. Z. noch nicht bearbeiteten Akten des ehemaligen Landratsamtes einen gewissen Aufschluß in dieser Hinsicht geben können. Einzelheiten zur Geschichte der sozialdemokratischen Partei in Bochum bringt K o s z y k ; ausführlich schildert er die Anfänge des Bochumer “Volksblattes”, von dessen älteren, im Stadtarchiv leider fehlenden Jahrgängen aus der Zeit vor 1914 sich eine Anzahl noch nicht verzeichneter Bände im niederrheinisch-westfälischen Zeitungsarchiv in Dortmund befindet wie eine mündliche Auskunft des Verfassers ergab.

Aus eigenen Erfahrungen und Erleben als Pfarrer berichtet M ü c k e 1 e y von dem religiösen Leben der aus Masuren stammenden Zuwanderer, den ostpreußischen Gebetsvereinen und Sektenbildungen, sowie von der Arbeit der von der evangelischen Kirche eingesetzten masurischen Synodalvikare, deren erster 1887 in Bochum seine Tätigkeit aufnahm. Die Schwierigkeiten, die sich für die Masuren hinsichtlich ihres Einlebens in der ihnen fremden Industriewelt ergaben, ihre allmähliche Eingewöhnung werden anschaulich geschildert. Mit den Fragen der Eingliederung der Zuwanderer in das Ruhrgebiet, ihrer Anpassung, der Umwandlung der früheren Lebensformen einer ländlich-kleinstädtischen Gesellschaft durch die industrielle Entwicklung befaßt sich das soeben erschienene Buch von W. B r e p o h l . Jugenderinnerungen, kluge Beobachtungen, eigene For-schungen, ein Spürsinn für den gesellschaftlichen Wandel, soziologische Theorie verbinden sich kunstvoll miteinander. Es möge zunächst ein kurzer Hinweis genügen, da dieses gedankenreiche Buch gerade für die landes- und ortsgeschichtliche Forschung zahlreiche Fragen aufwirft, die eine eingehendere Besprechung erforderlich machen.

Kurz hingewiesen sei noch auf zwei Veröffentlichungen zur westfälischen Geschichte. Den Ertrag eines Lebenswerkes birgt das umfangreiche Buch des früheren verdienstvollen Geschäftsführers des westfälischen Heimatbundes W. S c h u 1 t e . Die lang vermißte ausführliche Darstellung der westfälischen Geschichte in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist damit gegeben. Aus seiner genauen Kenntnis der westfälischen Geschichte bringt Schulte eine Fülle von Tatsachen. Sein Buch hat in den fachwissenschaftlichen Zeitschriften allgemein, wenn auch mit gewissen Vorbehalten, Anerkennung gefunden. Daß ihm die preußischen Ministerialakten aus zeitbeding{\rtf1\ansi\ansicpg1252\uc1 \deff0\deflang1033\deflangfe1031{\fonttbl{\f0\froman\fcharset0\fprq2{\*\panose 02020603050405020304}Times New Roman;}{\f1\fswiss\fcharset0\fprq2{\*\panose 020b0604020202020204}Arial;}{\f16\froman\fcharset0\fprq2{\*\panose 02020404030301010803}Garamond;}{\f17\fswiss\fcharset0\fprq2{\*\panose 020b0602020204020204}Humanst521 BT;}{\f124\fswiss\fcharset162\fprq2 Humanst521 BT Tur;}}{\colortbl;\red0\green0\blue0;\red0\green0\blue255;\red0\green255\blue255;\red0\green255\blue0;\red255 Meisterwerke in der Schilderung einzelner Personen, der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse sind in ihnen versteckt. Ein ausführliches Orts- und Personenregister erleichtert dem Forscher die Benutzung. Ein ausgezeichnetes, zuverlässiges Hilfsmittel für jeden Forscher ist die statistische Arbeit von Stephanie R e e k e r s . Sie vermittelt dem westfälischen Forscher ein Zahlenbild über die Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Städten und Gemeinden für das 19. und 20. Jahrhundert, wie es in dieser Form bisher in keiner anderen Landschaft gibt.

 

Impressum

1958 Bochum Ein Heimatbuch

 

7. Band

 

Herausgeber

Vereinigung für Heimatkunde e.V.

Druck und Verlag: Schürmann & Klagges